Mein alter Deutschlehrer hatte, wenn er von einem Schüler gefragt wurde wozu eigentlich die Groß-und Kleinschreibung gut sei, stets diesen Satz parat:
der gefangene floh.
Ich hab' auch mal einen Floh gefangen – ist schon lange her. Damals waren wir gerade umgezogen, hatten wochenlang die neue Bude renoviert, die reichlich verwohnt war. Nachdem wir dort die erste Nacht verbracht hatten, entdeckte ich morgens drei Stiche an meinem Schienbein, die mich in den darauffolgenden Tagen fast um den Verstand brachten, so juckten die! Hatte es gerade nachgelassen, kamen wieder neue Stiche hinzu. Typische Flohstiche, sagte man mir.
Nur ich wurde gestochen, aber das ist nichts Ungewöhnliches, weil ich so eine dünne Haut habe. Das ging ungefähr zwei Monate lang so. Ich suchte alles ab, leuchtete in die entlegensten Winkel der Wohnung mit einer Taschenlampe, die ich sogar im Schlaf griffbereit neben mir unter der Bettdecke festhielt; denn ich wurde nur nachts gestochen – aber es war niemand zu sehen.
Aus der Stadtbücherei besorgte ich mir alles, was an Fachliteratur zu diesem Thema aufzutreiben war. Internet hatte ich zu der Zeit noch nicht. Einen Stapel Bücher, der mir bis unter's Kinn reichte, um herauszufinden, wo die Viecher sich gern aufhalten, was sie mögen und was nicht. Und las, dass sie regelrechte Überlebenskünstler sind, mehr als zwei Jahre ohne Nahrung auskommen können, bis ein neuer Wirt auftaucht, an dem dann auch treu festgehalten wird. Der bevorzugte Wirt war nun eindeutig ich. (Wer nichts wird, wird Wirt.)
An einem Abend saß ich dann im Kinderzimmer am Schreibtisch und räumte dort noch etwas auf, als mein kleiner Sohn, der schon im Bett lag und noch las, ganz seelenruhig, wie es so seine Art ist, zu mir sagte: "Hier springt ein kleines Tier auf meiner Bettdecke herum." Augenblicklich ließ ich alles stehen und liegen und hechtete mit einer Schnelligkeit, die mir sonst gar nicht zu eigen ist, in Richtung des winzigen Plagegeistes, der dank des buntgemusterten Teppichs einen enormen Vorteil hatte. Immer wenn ich ihn fast erwischt hatte, hüpfte er ohne Ermüdungserscheinungen wieder eine Schrittlänge voraus. Also jagte ich ihn auf allen Vieren weiter, um den Zeitverlust beim Herunterbeugen so gering wie möglich zu halten – und fing ihn!
Ha!! Der gefangene Floh.
Hatte ihn mit einem Taschentuch gepackt, worin ich ihn dann mit dem stumpfen Ende eines Stiftes zerquetschte. Eine Lupe geholt und das Taschentuch auseinandergefaltet, mit der Lupe genähert und – bewegt der sich etwa noch? Kann doch gar nicht sein! Doch! Zack – war er schon wieder weggesprungen.
Der Gefangene floh!
Aber er war geschwächt und ich fing ihn wieder ein. Dann habe ich ihn endgültig ins Jenseits befördert und unter das Kindermikroskop verfrachtet. Es war ein Prachtexemplar, hatte ihn genau von der Seite erwischt. Hinten die langen, kräftigen Sprungbeine, vorne die verkümmerten Stummelärmchen – ein bißchen wie ein Känguruh ohne Ohren.
Was danach kam, war nicht so lustig, nämlich der Kammerjäger. Es handelte sich um Katzenflöhe, die komischerweise auf Hunden anzutreffen sind. Jedenfalls hatte die Vormieterin zwei Hunde.
An meinen alten Deutschlehrer denke ich noch oft zurück.
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Also Humor hast du und schreiben kannst du auch, außer Flöhe fangen.
Und das Wortspiel ist wirklich excellent! Eine sehr kurzweilige und unterhaltsame Geschichte, Lucy, dazu in der richtigen Länge mit den nötigen Absätzen, auch handwerklich alles richtig gemacht.
Mir hats sehr gefallen, klingt abgedroschen, aber isso. Das Gefallen.
Sirius
Reset the World!
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Sehr unterhaltsam, Lucy.
So klein die Viehcher sind, aber lästig ist das.
Liebe Grüße
Leo
Schreiben macht schön.
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Oh! Das freut mich sehr, dass euch meine kleine Geschichte gefallen hat.
1.000 Dank für die schönen Worte an mich!
Lucy
(... wollte mal mit den Farben spielen )
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Herrliches Wortspiel, Lucy! Habe dir mit Vergnügen beim Flohfang zugeschaut!
Liebe Lottegrüße
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Dankeschön, liebe Lotte. – für's Zuschauen.
Liebe Lucygrüße!
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