Ein Schreibtisch erzählt aus dem Leben des Autors
Der Dichter Felix Philipp Ingold ist ein Wortjäger und Klangzauberer: Er klopft die Sprache auf alles Verborgene und Verschwiegene ab.
Die allgemeine Übereinkunft sähe das natürlich gerne anders, aber wer «Ich» sagt, hat sich damit noch nicht entschieden, die «Wahrheit» zu sagen. Wer «Ich» sagt, hat aber in jedem Fall eine Form der Erzählung gewählt, eine Rolle, die vieles ermöglicht und die zugleich prekär bleibt. Auf das, wofür das Pronomen stehen soll, scheint nämlich wenig Verlass. Die drei Buchstaben sind eine Worthülse. «Ich» ist nicht nur, gemäss einem vielzitierten Satz von Arthur Rimbaud, «ein Anderer», «Ich» kann auch ganz viele und vieles gleichzeitig und nebeneinander sein, jemand oder etwas – was, weil es letztlich nur im Erzählen beglaubigt werden kann, leicht zur Fiktion wird.
In seinem jüngsten Prosaband nutzt Felix Philipp Ingold diese Offenheit als Auslöser für ein raffiniertes und äusserst geglücktes Erzählprojekt. Unter dem Titel «Direkte Rede» präsentiert er, gleichsam als Stimmenimitator, 77 «Selbstversuche». In jedem der unterschiedlich langen Prosatexte meldet sich ein Ich zu Wort, jedes Mal ein anderes. Es folgt jeweils seinen Launen und setzt oft jene Kausalitäten ausser Kraft, die als Typisierung mit der jeweiligen Figur verbunden sind. «Ich» wird dann in erster Linie eine Perspektive, aus der heraus erzählt werden kann. Erzählen kann auch ein Gegenstand. Beispielsweise der Schreibtisch, der, je länger er spricht, immer deutlicher ein «Zeitzeuge des Autors» wird.
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