Die grosse Kunst, kein Buch zu schreiben. Aus Joseph Jouberts Notizen
Joseph Joubert gehört zu den verborgensten Schriftstellern der Weltliteratur. Zu Lebzeiten erschien kaum eine Zeile von ihm, aber er hinterliess ein gewaltiges Werk.
Er muss unentwegt geschrieben haben, ein halbes Leben lang und mehr. An die Öffentlichkeit drang davon nur das Allerwenigste und auch nur in seinen jungen Jahren, eigentlich nichts. Er schrieb für sich, aber man konnte trotzdem nicht sagen, dass er es ausschliesslich im Verborgenen tat. Gewiss, vielen war er bloss ein Gerücht; wer im intellektuellen Paris indessen Rang und Namen hatte, kannte Joseph Joubert. 1778 war er 24-jährig aus seiner Vaterstadt Montignac nach Paris gekommen. Alsbald zählte er Denis Diderot oder den Mathematiker und Physiker d’Alembert zu seinen Freunden, später verkehrte er mit den etwas jüngeren François-René de Chateaubriand oder Louis de Fontanes.
«Ich bin wie Montaigne ‹ungeeignet für den fortlaufenden Gedankengang›.» So lautet eines seiner zahllosen Notate in den über 200 Journalheften, die er bei seinem Tod 1824 hinterlassen hat. Und tatsächlich bilden diese Aufzeichnungen keinen «fortlaufenden Gedankengang» ab. Jouberts Ambition war vielleicht bescheidener und zugleich verwegener: Er protokollierte einen nie versiegenden Gedankenstrom.
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