"Das hätte Anne gewollt"
Im Versteck schrieb Anne Frank nicht nur Tagebuch, sondern auch einen Roman. Laureen Nussbaum hat erfolgreich dafür gekämpft, dass der Entwurf endlich veröffentlicht wird.
Von Thorsten Schmitz
Zwei Jahre lang lebte Anne Frank, ohne Sonnenlicht oder Regen auf ihrer Haut zu spüren. Von 1942 bis 1944 versteckte sich das aus Frankfurt am Main stammende jüdische Mädchen vor den Nationalsozialisten in einem Hinterhaus in Amsterdam. Zusammengepfercht mit Schwester Margot, Vater Otto, Mutter Edith, Freunden und Bekannten der Familie erlebte Anne Frank die Anfänge ihrer Pubertät in einem 50 Quadratmeter großen Gefängnis in der Prinsengracht 263.
Der Enge, dem Aufeinanderhocken, den Streitereien entkam sie, indem sie ihre Notizbücher schrieb. Das Formulieren, das Komponieren der Sätze, das stilistische Einordnen waren ihre Fluchten. So schuf sich Anne Frank eine Welt, auch, um nicht durchzudrehen. Schriftstellerin wollte sie werden - doch sie starb an den Folgen einer Typhus-Infektion 1945 im KZ Bergen-Belsen.
Ihre Tagebuch-Notizen und weitere Hunderte beschriebene Blätter lässt Anne Frank bei der Verhaftung in der Prinsengracht zurück. Sie werden von Otto Franks Sekretärin gefunden und aufbewahrt. Als diese Otto Frank nach Kriegsende trifft, gibt sie ihm das Konvolut.
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https://www.sueddeutsche.de/kultur/anne-...ichte-1.4443351
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Mehrheit kaufte 2018 kein einziges Buch
29,9 Millionen Menschen ab zehn Jahren haben laut einer Studie 2018 in Deutschland mindestens ein Buch gekauft. Das heißt im Umkehrschluss: Die Mehrheit der Deutschen hat im letzten Jahr kein einziges Buch gekauft.
Die Zahl der Buchkäufer in Deutschland ist im vergangenen Jahr erstmals seit 2012 wieder gestiegen, teilt der Börsenverein des deutschen Buchhandels in Frankfurt mit. 29,9 Millionen Menschen ab zehn Jahren erwarben demnach laut einer GfK-Erhebung 2018 mindestens ein Buch, während es 2017 insgesamt 29,6 Millionen waren. 2012 hatte es noch 36,9 Millionen Buchkäufer gegeben, in den Folgejahren aber war die Zahl kontinuierlich gesunken.
Das klingt erst mal nach positiven Nachrichten. Allerdings bedeutet es im Umkehrschluss und bei – so die aktuellsten Bevölkerungszahlen – derzeit 83 Millionen Einwohnern in Deutschland: über 50 Millionen Menschen und damit der überwiegende Teil der Deutschen hat im vergangenen Jahr kein einziges Buch gekauft. Das ist eine bittere, wirklich traurige Kunde, die man zwar mit verändertem Mediennutzungsverhalten und geänderten Freizeitgewohnheiten zu erklären versuchen könnte, die aber auch etwas vom Niedergang eines Kulturguts und einer Kulturtechnik erzählt.
Wenn jetzt also der Börsenvereins-Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis sagt, man habe „erfolgreich Wege zum Leser entwickelt“, habe verstanden, was der gesellschaftliche Wandel in den letzten Jahren eigentlich bewirkt hat“ und „Die Menschen lieben das Buch“ bilanziert, meint er damit nicht das Gros der Deutschen.
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https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal...0ae1a98c99.html
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Warum uns das Böse im Buch so fasziniert
Jede Woche erscheinen neue Bücher, in denen offizielle oder selbst ernannte Ermittler in Los Angeles, Oslo oder auch am Thunersee Verbrechern auf der Spur sind. Warum bloss ist das Böse so beliebt?
Suter, Adler-Olsen und Leon. Diese drei Namen führen seit Wochen die Bestsellerliste Belletristik an. Kriminelle Machenschaften verkaufen sich also bestens und lassen die Kassen klingeln. Und dies keineswegs nur zur Ferienzeit, wenn man alles möchte, nur keine Langeweile. «Kriminalromane sind das ganze Jahr gefragt», sagt Stephanie Schaffer. Sie betreut seit 10 Jahren die Krimiabteilung in der Berner Buchhandlung Stauffacher und kann beobachten, dass immer mehr Titel die Tische und Regale füllen.
Noch vor 25 Jahren war das Angebot in diesem Genre überschaubar. Grob eingeteilt gab es für Nostalgiker Agatha Christie, sozialkritisch Eingestellte kauften Bücher des schwedischen Paars Maj Sjöwall und Per Wahlöö, während USA-Liebhaber Krimis von Raymond Chandler und Dashiell Hammett verschlangen. Leute, die an einer anderen Sicht der Dinge interessiert waren, erfreuten sich an den charmanten Mördern Patricia Highsmiths , und alle lasen Georges Simenon.
Heute legen Buchhändler jede Woche Neuerscheinungen aus, in denen schon fast um die Wette gemordet wird. Allein Skandinavien brachte in den letzten paar Jahren so viele Autoren hervor, dass es schwierig ist, den Überblick über all die Edwardsons, Holts oder Indridasons zu behalten. «Seit 10 Jahren versuchen sich immer mehr Schriftsteller an diesem Genre und springen auf den erfolgreichen Zug auf», sagt Schaffer. Es kam zu einer enormen Ausweitung der Titel.» In der Schweiz könne man in den letzten 2 Jahren sogar von einem regelrechten Krimiboom sprechen. Warum sich so viele Autoren an das einstige Schmuddelkind der Literatur wagen, dafür hat Jochen Vogt einen Erklärungsversuch parat.
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https://www.tagesanzeiger.ch/kultur/buec.../story/31601814
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«Vong der Niceigkeit nicht so goil»
Schüler rechnen auf Amazon mit der Weltliteratur ab. Dabei schonen sie niemanden. Weder Goethe noch Frisch und Dürrenmatt
Junge Menschen können knallhart sein – wenn es um Bücher geht, die sie im Deutschunterricht zu lesen haben. Das zeigt ein Blick in die Amazon-Rezensionen. Dort wird niemand geschont. Weder Goethe noch Gottfried Keller, weder Frisch noch Dürrenmatt. Wir präsentieren eine Auswahl der ungnädigsten Verrisse, die Schülerinnen und Schüler dort veröffentlicht haben – nach Möglichkeiten ohne Eingriffe in Sachen Kommas und sonstige Orthodo... Dings, Sie wissen schon.
«Vong der niceigkeit nicht so goil. Voll komisch geschrieben und nicht so cool wie ich dachte.» Zu «Faust»
Es geht auch etwas drastischer:
«Es ist schon fraglich welche idioten meinen, dass man so ein Buch in der Schule lesen muss. Völlig realitätsferne handlung und zu 0,0 nützlich für irgendwelche zukünftigen Berufe etc. Um soetwas zu schreiben braucht man mindestens zwei promille, um es zu lesen wohl eher drei... Niemals kaufen!!!»
«Ich bin 19 und hab über 50 Bücher gelesen, darunter auch welche mit über 1000 Seiten (duchschnitt ca.600). Ich weis also gute von schlechten zu unterscheiden und mir war ensthaft schlecht beim lesen dieses Buches.» Zu «Die Leiden des jungen Werthers».
«dieses Buch ist echt eines der schlimmsten, die wir während unserer Schulzeit lesen mussten. Kommt wohl auch drauf an, welche Art von Buch man so mag. Dieses hier ist überwiegend in Briefform geschrieben.» Nochmals zum «Werther».
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https://www.tagesanzeiger.ch/kultur/buec.../story/23346981
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„Die Dichter alle dichten“
Schiefe Bilder, gnadenloser Reimzwang, humanistisches Pathos und unbedingter Glaube an die eigene poetische Sendung – Friederike Kempner galt schon Sigmund Freud als Paradebeispiel für die „unfreiwillige Komik der Rede“. Der Auftakt zur Serie „Zu Recht vergessen – Die besten schlechten Dichter aller Zeiten“. Von Karin Wozonig.
Enthülle nie auf unedle Art die Schwächen deiner Nebenmenschen, um dich zu erheben, ziehe nicht ihre Fehler und Verirrungen an das Tageslicht, um auf ihre Kosten zu schimmern.“ Diesen bedenkenswerten Rat des Freiherrn von Knigge zu befolgen, macht uns Friederike Kempner (1828–1904), auch genannt der schlesische Schwan, nicht gerade leicht. Ihre Gedichte sind auf eine so lächerliche Art missglückt, dass sie schenkelklopfende Heiterkeit hervorrufen können. Nicht bei allen kommt die Kempner-Lyrik gleich an, aber es gibt Menschen, die können Tränen lachen bei Versen wie diesem:
Und die Rosse, wie arabisch
Ihre Blicke leuchten,
Wie die glänzend schwarzen Haare
Helle Tropfen feuchten!
Und dabei ist der Gegenstand des balladenartigen Gedichts, aus dem diese Strophe stammt, kein bisschen lustig, im Gegenteil. Drei Tscherkessen, also Bewohner des westlichen Kaukasus, reiten auf ihren arabischen Rossen auf der Suche nach Freiheit nach Preußen, und zwar drei Tage und drei Nächte ohne Unterbrechung, was der Grund dafür ist, dass die Rosse gefeuchtet sind. Die Reiter werden von den Preußen aber nach Russland zurückgeschickt und dort hingerichtet. Da gibt es nichts zu lachen. Aber Kempner wurde nicht umsonst als Meisterin der unfreiwilligen Komik bezeichnet, und wie kann man bei einer Szene wie dieser ernst bleiben:
Horch, da öffnet sich der Schlagbaum,
Und am Brückenkopfe
Nicken durch die hohle Öffnung
Russen mit dem Kopfe.
Friederike Kempner nahm sich in ihrer literarischen Arbeit ambitioniert einiger Themen an, die durchaus schwer wiegen und bei denen sich das Lachen verbietet. Ein besonderes Anliegen war ihr die Errichtung von Leichenschauhäusern, um das Begraben von Scheintoten – eine zu ihren Lebzeiten durchaus realistische Gefahr – zu verhindern, ein anderes das Verbot der Einzelhaft. Kempner ergreift auch Partei für Proletarier und andere Unterprivilegierte und schreckt nicht davor zurück, Gott für Missstände mitverantwortlich zu machen.
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https://volltext.net/texte/friederike-ke...r-alle-dichten/
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Was noch lesen? Wie noch schreiben? Und wozu?
Beobachtungen und Notate am Rand der Frankfurter Buchmesse. Von Felix Philipp Ingold
„Schon während des Lesens fange ich an zu vergessen, und dieser Prozess, der unvermeidlich ist, setzt sich so lange fort, bis ich irgendwann wieder an dem Punkt bin, als hätte ich das Buch nicht gelesen …“ – Pierre Bayard
I. Je mehr desto mehr!
Der Triumph der großen Zahl ist längst zur geheimnislosen Aura des Literaturbetriebs geworden und behauptet sich, hier wie anderswo, als signifikantes, wenn auch obsoletes Qualitätsmerkmal: Das mehrheitliche Lesepublikum hält die meistverkauften Bücher bedenkenlos für die besten, weshalb sich Bestenlisten und Bestsellerlisten mehr und mehr angleichen.
Die Frankfurter Buchmesse führt diesen zwiespältigen Triumph alljährlich vor Augen, wenn die jeweils aktuellen Produktionsziffern veröffentlicht werden. Rund 80.000 Neuerscheinungen waren im vorigen Jahr zu verzeichnen, mehr als 30 Prozent davon im Marktsegment der Belletristik. Die entsprechenden Umsätze werden bis zum Jahresende circa neun Milliarden Euro erreichen – auch das ist bloß eine Zahl, darüber hinaus eine unvorstellbar hohe Summe, die die epochale Krise, in der sich das Buch und der Buchhandel angeblich befinden, eigentlich doch dementiert.
Die weiterhin zunehmende Produktion stellt die Rezipienten – Redakteure, Kritiker, Moderatoren, Juroren und auch das gewöhnliche Lesepublikum – naturgemäß vor enorme, letztlich nicht zu bewältigende Probleme: Wer soll und kann aus Tausenden von Titeln jene paar Dutzend ermitteln, die sich dann als wirklich lesenswert erweisen und allenfalls dazu taugen, besprochen oder gar ausgezeichnet zu werden? Wie viele Neuerscheinungen muss man gelesen haben, um über die laufende literarische Saison Bescheid zu wissen? Um als Juror oder Rezensent objektiv argumentieren und urteilen zu können? Und wie viel Lesezeit (die ja immer auch Lebenszeit ist) kann überhaupt in die aktuelle Produktion investiert werden?
Oder nochmals anders gefragt, elementar: Wie viele Texte unter den Abertausenden, die von Messe zu Messe erscheinen, lassen sich einigermaßen adäquat bewältigen? Die Rede ist hier von Sachverständigen, die dem Literaturbetrieb zuzudienen, ihn zu unterhalten und auch zu regulieren haben.
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https://volltext.net/texte/felix-philipp...eiben-und-wozu/
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Was lesen Sie Ihren Kindern vor?
Die Mutter gruselt sich, die Tochter genießt den Witz: Es gibt Vorlesebücher, die Kinder und Eltern gemeinsam begeistern. Verraten Sie uns Ihr liebstes?
Vorlesen ist ein großes Glück. Kinder und Eltern kommen einander nahe, wenn sie gemeinsam in eine Geschichte eintauchen. Das Glück wird sogar noch größer, wenn das Buch keinen der Beteiligten unterschätzt.
Eine solche Geschichte ist Schlimmes Ende von Philip Ardagh, empfohlen ab neun Jahren: Eddies Eltern haben eine ansteckende Krankheit, deshalb muss Eddie zu Onkel Jack und der wahnsinnigen Tante Maud, die ständig mit einem toten Wiesel rumfuchtelt. Keiner der Erwachsenen in diesem Kinderbuch ist auch nur ansatzweise liebevoll und mitfühlend.
Ich dachte während des Vorlesens: Hoffentlich traumatisiere ich meine Tochter nicht damit. Aber sie war begeistert und las uns schließlich selbst mit dramatischer Intonation daraus vor. Ich habe damals begriffen, dass mein Kind fiesen Humor und drastische Worte sehr schätzt (sie tut es noch immer). Mich selbst hat die Traurigkeit hinter den absurden Abenteuern viel mehr geschüttelt als sie.
Jetzt ist meine Tochter ziemlich groß. Aber sie hat sich neulich wieder an Schlimmes Ende erinnert und dass es noch immer nachwirkt. Kranke Eltern, gewalttätige Menschen und tote Kinder in Schlimmes Ende konnte sie lässig aushalten, sagt sie und: Sie fühlte sich einfach ernst genommen. Bücher, die den Kindern zutrauen, das Leben auszuhalten und die sie auch mit einer anspruchsvollen Sprache herausfordern, sind auch für Eltern interessanter.
https://www.zeit.de/gesellschaft/familie...ps-leserumfrage
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Was bleibt von der Literatur, für wen und wozu?
In unseren schnelllebigen Zeiten schreibt kein Autor für später – oder gar für die Ewigkeit. Man hangelt sich von Auftritt zu Auftritt und findet sich damit ab: Dass heutige Literatur schon morgen gestrige gewesen sein wird.
Ich bin alt genug, mithin auch fortgeschritten genug, um als Zeitzeuge für den deutschsprachigen Literaturbetrieb der frühen 1960er Jahre gelten zu können. Meine Erinnerungen daran sind ebenso weitläufig wie präzise, sie reichen von den frühen Auftritten Ingeborg Bachmanns, Peter Rühmkorfs, Erich Frieds, H. M. Enzensbergers oder H. C. Artmanns bis hin zu bereits etablierten Schriftstellern wie Heinrich Böll, Hilde Domin, Marie Luise Kaschnitz, Hans Erich Nossack. Manche von ihnen sind heute – ihrer einstigen Wertschätzung und Berühmtheit zum Trotz – so gut wie vergessen.
Das trifft weit mehr noch auf jene Autoren, jene Autorinnen zu, die damals und in der Folgezeit vom Feuilleton hofiert, vom Publikum geschätzt, dann aber doch recht bald wieder in die Namenlosigkeit entlassen wurden. Verwehte Mehrheit, verwehte Erfolge: Schnurre, Lettau, Faecke, Innerhofer, Borchers, Rasp, Elsner, Heckmann, Rehmann, Nonnenmann, Wohmann und viele mehr – ich habe sie damals alle persönlich kennengelernt, habe ihre Bücher mit unterschiedlichem Gewinn gelesen, einige davon auch besprochen, doch geblieben ist mir davon kaum etwas, und ich mag auch nicht mehr eigens darauf zurückgreifen. Das gilt gleichermassen für etablierte Grössen wie Peter Weiss, Arno Schmidt, Max Frisch.
Andrerseits frequentiere ich aus jener weit zurückliegenden Vergangenheit nach wie vor – und stets aufs Neue – Thomas Bernhards kleine Prosa, O. F. Walters staunenswertes Frühwerk, die Erzählungen von Nossack und Kaschnitz . . . Ich muss allerdings hinzufügen, dass ich mich der damaligen fremdsprachigen Literatur (mit Autoren wie Italo Calvino, Grace Paley, Claude Simon, Robbe-Grillet) insgesamt enger und produktiver verbunden fühlte als der deutschen. Aber es geht hier ja nicht um persönliche Vorlieben und das «Überleben» einzelner Werke in der privaten Hausbibliothek, sondern – viel allgemeiner – darum, wie und weshalb bestimmte Autoren sich in der Literaturgeschichte oder gar im Kanon behaupten, andere indes (die allermeisten) aussen vor bleiben, ohne jemals irgendeinen Anteil an der Vergangenheit oder gar der Zukunft aller Literatur zu gewinnen.
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https://www.nzz.ch/feuilleton/literatur-...gold-ld.1518323
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Dürfte ich bitte lesen, was ich möchte?
Wie findet man das richtige Buch? Neuerdings wollen sogenannte „Literaturbegleiter“ den Leser an die Hand nehmen. Dabei sollte man sich unbedingt auf sich selbst verlassen. Eine Erregung.
Zunächst, um ehrlich zu sein, hat mich das Buch überhaupt nicht angetörnt, schon gar nicht hat es ,baff‘ gemacht oder ,bumm‘, wie es schon manchmal passiert war bis dahin zwischen mir und einigen, zugegeben wenigen ‚Büchern‘, die ich gelesen hatte.“ Nun ja, diese Erfahrung ist vielleicht noch älter als die Erfindung des Buchdrucks selbst und auf vieles im Leben – gerade auf die Liebe – übertragbar. Jeder hat sie schon gemacht.
Trotzdem liest man weiter, weil man wissen will, warum Alfred Döblins „Alexanderplatz“ diesen Mann am Ende dann doch angetörnt hat. Weil er Rainer Werner Fassbinder heißt und seine neunseitige Eloge auf dieses – in jeden deutschsprachigen Kanon pflichtbewusst eingereihte – Werk ein grelles Licht auf den Charakter eines genialen Kokainisten wirft – und sein größenwahnsinniges Filmprojekt, die Mammutadaption des Romans.
Es ist Fassbinders einziger Auftritt in der von Fritz J. Raddatz herausgegebenen, einst vom damaligen Bildungsbürgertum wie ein Heiligtum verehrten Anthologie „Die ZEIT-Bibliothek der 100 Bücher“ (Suhrkamp) aus dem Jahr 1980. Zusammengetragen von Schriftstellern und Redakteuren, die sich immerhin dazu durchringen konnten, wenigstens das Werk einer Frau (Anna Seghers) zu erwähnen (aber das ist ja nun schon wieder 40 Jahre her).
Auch wenn Fassbinder vielleicht ein paar mehr Lieblingsautorinnen hätte aufzählen können: Wollte man wirklich von ihm 100 Empfehlungen im Baff-bumm-Sound lesen? Das wäre sogar dem größten Cineasten zu viel, ein regelrechter Abtörner.
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https://www.welt.de/kultur/literarischew...ch-moechte.html
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Preis für Roman mit nur acht Sätzen auf über 1000 Seiten
Lucy Ellmanns neuer Roman wurde von ihrem Verlag abgelehnt. Nachdem „Ducks, Newburyport“ beim Booker Preis noch leer ausgegangen ist, hat er nun den Goldsmiths Preis bekommen.
Auf gut 150 Seiten kommt der aus einem inneren Monolog bestehende „Lieutenant Gustl“ von Arthur Schnitzler, auch James Joyces 1000-Seiten-Roman „Ulysses“ ist zu einem Gutteil aus zu Papier gebrachten Bewusstseinströmen gestaltet. Doch wahrscheinlich hat niemand die Erzählform des inneren Monologs so ins Extrem getrieben wie die britische Schriftstellerin Lucy Ellman. Ihr heuer erschienener Roman „Ducks, Newburyport“ besteht aus einem einzigen inneren Monolog. Das über 1000 Seiten dicke Buch hat nur acht Sätze - und keine Absätze. Erzählt werden darin die Gedanken einer vierfachen Mutter in Ohio, während sie kocht.
Mit „Ducks, Newburyport“ war Ellman heuer auch für den Booker Preis nominiert, der aber an Margaret Atwood für „Die Zeuginnen“ (The Testaments) und Bernardine Evaristo für „Girl, Woman, Other“ ging. Nun hat Ellman aber doch einen Preis erhalten, den mit 10.000 Euro dotierten Goldsmiths Preis, ausgelobt von der gleichnamigen Universität in London.
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https://www.diepresse.com/5722218/preis-...iten#kommentare
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Das Ende vom Buch
Erst verschenkt, dann vergessen: Immer weniger Menschen versenken sich in Bücher. Zugleich versprechen Apps effizientes Schnelllesen. Schlimm? Oder neu und erfreulich?
Von Johannes Franzen
Zu den beliebtesten kulturkritischen Horrorgeschichten unserer Tage gehört, dass wir uns in einer Krise des Lesens befinden. 2018 manifestierte sich das in der Schreckensnachricht, dass sich über die letzten Jahre mehr als sechs Millionen Leser und Leserinnen in Deutschland endgültig vom Medium Buch verabschiedet haben.
Zugleich lesen die Verbleibenden zwar immer noch, aber – wie es scheint – immer schlechter: Folgt man der einschlägigen Leseforschung, bewegen wir uns von einem Deep Reading, einem tiefen und gehaltvollen Eintauchen in die gedruckte Welt der Texte, hin zu einem oberflächlichen Lesen, das die Bildschirme nur gierig überfliegt, immer auf der Suche nach neuem "content". Die Kognitionswissenschaftlerin Maryanne Wolf etwa schreibt in ihrem Buch Schnelles Lesen, langsames Lesen, das tiefe Lesen langer Bücher helfe uns nicht nur, klüger zu werden, es mache uns auch zu besseren Menschen, weil wir gezwungen werden, uns auf die Perspektiven anderer Menschen einzulassen und damit unsere Empathiefähigkeit trainieren.
Es lohnt sich, in diesem Kontext einen Blick auf das andere Extrem zu werfen – dorthin, wo das Lesen seit 2013 vor allem eins machen soll: reich. Blinkist heißt ein Berliner Start-up, das sein Produkt "Buchclub der Milliardäre" nennt und von den "Lesegewohnheiten extrem erfolgreicher Menschen" schwärmt. Helden der Gegenwart wie Warren Buffet, Elon Musk oder Mark Zuckerberg lesen laut Blinkist viele Bücher, Bill Gates gar 50 Bücher pro Jahr. Die Macher möchten ihre Nutzer*innen an dieser Quelle des Wohlstands teilhaben lassen, indem sie in ihrem kostenpflichtigen Dienst Bücher in handlichen fünfzehn- bis zwanzigminütigen Zusammenfassungen zur Verfügung stellen; allerdings nur Sachbücher, denn offenbar machen Romane nicht auf die gleiche Art reich. Nach eigener Aussage von Blinkist nutzen bereits 12 Millionen Menschen weltweit die Bibliothek von über 3.000 Büchern, die in jeweils ungefähr zehn Abschnitte (sogenannte Blinks) zusammengefasst werden. Diese Blinks kann man sich auch in Hörbuchqualität auf einem Spaziergang, beim Sport oder auf dem Weg zur Arbeit anhören.
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https://www.zeit.de/kultur/literatur/201...echer-klassiker
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DRUCK AUF BIBLIOTHEKEN
Buchauswahl wird zum Politikum
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbands ist alarmiert: Von links wie von rechts gebe es Versuche, Buchbestände oder Veranstaltungen politisch zu beeinflussen, sagt Andreas Degkwitz.
Die Bibliotheken in Deutschland erleben ein neues Phänomen: „Es gibt von Links wie von Rechts Versuche, Buchbestände oder Veranstaltungen von Bibliotheken im jeweils politischen Sinne zu beeinflussen“, sagte Andreas Degkwitz, der Bundesvorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbands, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Die Bibliothekare und Bibliothekarinnen bemühten sich sehr um ausgewogene Bestände und Veranstaltungen. Doch dies werde durchaus kritisiert, so Degkwitz. „Das bewegt sich zwar im einstelligen Prozentbereich. Aber dass es überhaupt dazu kommt, das ist für uns schon etwas Neues, dem wir selbstverständlich entgegenwirken. Dafür brauchen wir aber auch politische Unterstützung.“
Degkwitz verweist auf die gesellschaftliche Bedeutung von Bibliotheken. In den Kommunen und Städten gebe es Orte wie Büchereien immer weniger. „Ich hatte neulich mal ein Gespräch mit einer Bekannten, die sagte mir: In unserem Vorort sind inzwischen die Banken durch Geldautomaten ersetzt worden. Es gibt einen Supermarkt, alle kleinen Geschäfte sind weg. Was noch geblieben ist, ist die Bibliothek. Das ist nun eigentlich der einzige öffentliche Ort, wo man noch hingehen kann, um jemanden zu treffen.“
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/b...n-16555932.html
Hab ich nicht noch im vergangenen Jahr AKK schnauben gehört, dass man über die Meinungsfreiheit des Pöbels nachdenken muss, damit der nicht dauernd dafür sorgt, dass die Wahrheit ans Licht kommt? Die Politverbecher selbst, die in jeder Mediengruppe bestimmen wollen, was geschrieben und gesendet wird, wollen jetzt auch noch bestimmen, welche Lügen man lesen muss.
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ASLI ERDOGAN VOR GERICHT
Neun Jahre Haft für Literatur?
Die türkische Justiz setzt ihre Prozesse gegen Journalisten und Publizisten fort. Die Schriftstellerin Asli Erdogan soll in Haft, weil sie Texte schrieb, die abstrakt darlegen, wie Menschen unter Unterdrückung leiden.
Wer in seiner Heimat zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird, für den ist diese vorübergehend oder für immer verloren. Geht es nach dem Willen der Mächtigen in der Türkei, dann wird das auch für die türkische Schriftstellerin und Journalistin Asli Erdogan weiter der Fall sein. Im August 2016 wurde sie zusammen mit anderen Journalisten, darunter die Linguistin und Übersetzerin Nicmiye Alpayin und der Chefredakteur der pro-kurdischen Tageszeitung „Özgür Gündem“, Zana Kaya, in Untersuchungshaft genommen. Offiziell, weil sie dem Beirat von „Özgür Gündem“ angehörte. Die Vorwürfe: „Propaganda für eine illegale Organisation“, „Mitgliedschaft bei einer terroristischen Organisation“ und „Volksverhetzung“. Kolumnen und andere Texte sollten als Beweise gelten.
Viereinhalb Monate verbrachte die Schriftstellerin im Bakirköy-Gefängnis. Am 29. Dezember 2016, dem Tag, an dem ihr Prozess begann, wurde sie, schwer krank, überraschend aus der Haft entlassen. Im September 2017 durfte sie die Türkei verlassen. Sie ging nach Deutschland. In ihrer Wohnung in der Türkei war sie seit dem Tag ihrer Verhaftung nicht mehr. Der Prozess – und mit ihm die Entscheidung über Erdogans und das Leben vieler anderer – wird seit mehr als drei Jahren verschleppt, die Anklage wieder und wieder verschoben.
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https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/m...r-16606932.html
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Was wäre bloss aus uns geworden ohne die Buchhandlungen?
Wir sind, was wir lesen. Umso entscheidender ist es, wie wir an die Bücher kommen, die uns formen werden.
Der erste Buchhändler, an den ich mich erinnern kann, war eigentlich keiner. Er stand in regelmässigen Abständen vor unserer Tür und hatte die Hosenbeine in die Socken gesteckt, weil er mit dem Rad unterwegs war. Er hatte dicke Brillen. Er sah nicht unbedingt aus, als würde er viel lesen, aber in seinem Katalog der Buchgemeinschaft «Donauland» waren immerhin Bücher verzeichnet, die man hätte lesen können. Den neuen Johannes Mario Simmel oder das Sachbuch «So leben wir morgen».
Dieser Mann, der vielleicht auch als fliegender Händler für Bratpfannen oder Darmstützen aktiv war, musste an meiner Mutter abschätzen, was in unserem Haushalt gelesen wird. Bei meiner Mutter ein Leichtes! Und so füllten sich die paar Regale mit «Donauland». Die Eltern waren keine grossen Leser. Es machte also nichts, dass das bisschen, das man brauchte, im Quartal kam.
Meine Eltern waren Quartalsleser. Ich aber nicht. Weil es zu Hause nicht viel gab, musste der Stoff bald woanders besorgt werden. Die Mutter eines Schulfreundes war Zahnärztin. Sie ordinierte gleich hinter ihrer Bibliothek, die trotz der strammdeutschen Gesinnung der Dame von geradezu liberaler Weitläufigkeit war. Vielleicht wollte sie auch nur wissen, was der Feind so liest.
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https://www.nzz.ch/feuilleton/buecher-un...aegt-ld.1542335
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Buchbranche: Verlage am Abgrund
Das Coronavirus treibt die Buchbranche in eine Krise. Die Buchhändler bleiben auf ihren Büchern sitzen und Amazon will sich auf Haushaltswaren konzentrieren.
Man könnte jetzt auf die Idee kommen, dass das Coronavirus die darstellenden Künste – Theater, Oper, Ballett und so weiter – stärker verwüstet als den Buchmarkt. Wer mutterseelenallein ein Buch in der Hand hält, darf husten, wohin er will; im dicht besetzten Parkett hätte es den Anstrich eines womöglich gemeingefährlichen Attentats. Und sind nicht deshalb die Bühnen geschlossen, während das Lesen – dieser lang bewährte Trost bei erzwungener Einsamkeit – noch möglich ist? So einfach ist es nicht. Bücher müssen geschrieben, hergestellt – und verkauft werden. Was heißt es also, dass plötzlich, fast überall, der stationäre Buchhandel geschlossen wurde, und was, wenn im Moment auch Amazon den Verlagen nichts mehr abkauft, weil es andere Produkte priorisiert? Wie reagiert man darauf in den großen Häusern?
Jo Lendle am Telefon, der Hanser-Verleger. Man hört ihm den Stress der letzten Tage an. Gerade erst ging die regelmäßig anberaumte Vertreterkonferenz zu Ende, bei der verabredet wird, welche Titel den Buchhändlern wie angezeigt werden sollen – ein für jeden Verlag traditionsgemäß essenzielles Ritual. Nur diesmal unter veränderten Bedingungen: kein enges, bis in den Abend dauerndes Beieinandersitzen, sondern eine Videokonferenz mit 35 Teilnehmern. Weniger Scherze als sonst, vielleicht auch weniger Zwischentöne, resümiert Lendle, stattdessen ein erstaunlich diszipliniertes Gespräch und eine starke Konzentration auf das Wesentliche. Überhaupt stütze sich die Verlagsarbeit nun ganz aufs Digitale. Der größte Teil der Belegschaft sei im Homeoffice, die Technologie voll belastet, aber dennoch funktionsfähig.
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