Buchgedichte und Zitate
Es fiel beim Suchen heut in meine Hand
Es fiel beim Suchen heut in meine Hand
ein Buch, das oft ich las in trüben Zeiten,
ein halbverwischter Bleistiftstrich am Rand
steht hin und her noch auf den schmalen Seiten.
Längst schwand die Schwermut jener Tage fort,
auch ihre Sehnsucht süß und unermessen.
Ich weiß die Verse heut noch Wort für Wort
und dachte doch, ich hätte sie vergessen.
Agnes Miegel (1879 – 1984)
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Wenn ich ein Buch lese,
und es macht meinen Körper so kalt,
dass kein Feuer mich je wärmen könnte,
weiß ich: Das ist Dichtung.
Wenn ich mich fühle,
als würde meine Schädeldecke abgenommen,
weiß ich: Das ist Dichtung.
Nur auf diese Weise kann ich es wissen.
Gibt es denn eine andere?
Emily Dickinson (1830 – 1886)
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Bücher sind Schiffe,
welche die weiten Meere
der Zeit durcheilen.
Francis Bacon (1562 – 1621)
Ein Buch ist ja keine Drehorgel,
womit uns der Invalide unter dem Fenster
unerbittlich die Ohren zermartert.
Ein Buch ist sogar noch zurückhaltender,
als das doch immerhin mit einer gewissem
offenen Begehrlichkeit
von der Wand herabschauende Bildnis.
Ein Buch, wenn es zugeklappt daliegt,
ist ein gebundenes, schlafendes
harmloses Tierchen,
welches keinem was zuleide tut.
Wer es nicht aufweckt,
den gähnt es nicht an;
wer ihm die Nase nicht gerade
zwischen die Kiefer steckt,
den beißt´s auch nicht.
Wilhelm Busch (1832 – 1908)
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An jenem Tage lasen wir nicht weiter
Wir lasen eines Tags zu unsrer Lust
von Lancelot, wie Liebe den bestrickte
und waren ganz allein, ohn jede Ahnung.
Mehrmals beim Lesen müssen wir die Augen
erheben, es entfärbt sich unser Antlitz,
doch eine Stelle wars, der wir erlagen.
Die war es, wo der heißbegehrte Mund
von solchen Liebenden geküsst wurde,
da küsste dieser hier, der nie von mir
Getrennt sein wird, erbebend mir den Mund.
Kuppler war das Buch und der es schrieb.
An jenem Tage lasen wir nicht weiter.
Dante Alighiere (1265-1321)
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Der Leser
Sag, ist das nicht ein wunderbares Leid:
Um fremde Menschen trauern, die nicht leben,
Und über Dinge, die sich nie begeben,
Voll Sehnsucht träumen in der Einsamkeit.
Geheimnis, dessen Sinn ich nie verstand:
Sich über Worte atemlos zu neigen
Und zu vernehmen, in gespanntem Schweigen,
Was einer dachte, fühlte und erfand.
Wenn Zeile so nach Zeile still verrinnt,
sich wohlig weit zurück im Sessel lehnen.
Die Arme dehnen, lächeln unter Tränen
Und wieder mäßig blättern wie als Kind.
Und auf und ab in Abendgassen gehen.
Und Verse singen, durch die Glocken läuten,
Und ahnen, dass sie Welt und Leben deuten
Und dennoch dunkel in den Wind verwehn.
Felix Braun (1885-1973)
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Beim Lesen chinesischer Gedichte
Herbst und ferne Jadeflöte,
Weiden, Wein und Abendröte,
Blättergleiten im Gelben Fluss.
Lotosblüten neben Schwänen,
Mädchen, die den Mond ersehnen,
Der die Liebe bringe muss.
Lächelnd sitzen Kaiserinnen
In dem Park, und singend spinnen
Goldne Fäden sie zum Schal.
Ist ihr Tag doch nur ein Warten
-In dem Pavillon im Garten-
Auf den Kaiser, den Gemahl!
Dichter singend niederschreiben
Verse, dass sie ewig bleiben.
Wissen, dass sie ewig sind.
Dass die Zeichen, die sie malten,
Nie verwehen mit dem Wind.
Käthe Braun-Prager (1888-1957)
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Ein Buch ist ja keine Drehorgel,
womit uns der Invalide unter dem Fenster
unerbittlich die Ohren zermartert.
Ein Buch ist sogar noch zurückhaltender,
als das doch immerhin mit einer gewissen
offenen Begehrlichkeit
von der Wand herabschauende Bildnis.
Ein Buch, wenn es so zugekláppt daliegt,
ist ein gebundenes, schlafendes,
harmloses Tierchen,
welchem keinem was zuleide tut.
Wer es nicht aufweckt,
den gähnt es nicht an;
wer ihm die Nase nicht gerade
zwischen die Kiefer steckt,
den beißts auch nicht.
Wilhelm Busch (1832-1908)
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Zu lesen lieb ich nicht, was aneinander hängt
Zu lesen lieb ich nicht, was aneinander
hängt,
sodass ein jeder Schritt zum andern vorwärts
drängt;
Wo, wenn ich aus der Bahn hab einen Schritt
getan,
Ich sie verlor und muss von vorne fangen an.
Zu lesen lieb ich das, was ich auf jedem
Schritte
zugleich am Anfang bin, am End und in der
Mitte;
Wo stillzustehen, fortzufahren, abzubrechen
In meiner Willkür steht und mit darein zu
sprechen.
Den Dichter lieb ich, der für mich versteht
zu pflanzen
Ein Ganzes, das besteht aus tausend kleinen
Ganzen.
Friedrich Rückert (1788-1866)
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Der Bücherfreund
Ob ich Biblio- was bin?
Phile? „Freund von Büchern“ meinen Sie?
Na, und ob ich das bin!
Ha! und wie!
Mir sind Bücher, was den anderen Leuten
Weiber, Tanz, Gesellschaft, Kartenspiel,
Turnsport, Wein und weiß ich was, bedeuten.
Meine Bücher? – wie beliebt? Wie viel?`
Was, zum Henker, kümmert mich die Zahl.
Bitte, mich doch ausreden zu lassem.
Jedenfalls nicht mehr, als mein Regal
Halb imstande ist, zu fassen.
Unterhaltung? Ja, bei Gott, das geben
sie mir reichlich. Morgens zwölfmal nur
nüchtern zwanzig Brockhausbände heben-
Hei! das gibt den Muskeln die Latur.
Oh, ich musste meine Bücherei
wenn ich je verreiste, stets vermissen.
Ob ein Stuhl zu hoch, zu niedrig sein,
sechzig Bücher sind wie sechzig Kissen.
Ja natürlich auch vom künstlerischen
Standpunkt. Denn ich weiß die Rücken
so nach Gold und Lederton zu mischen,
dass sie wie ein Bild die Stube schmücken.
Äußerlich? Mein Bester, Sie vergessen,
meine ungeheure Leidenschaft.
Pflanzen fürs Herbarium zu pressen,
Bücher lasten. Bücher haben Kraft.
Junger Freund, Sie sind recht unerfahren,
und Sie fragen etwas reichlich frei.
Auch bei andern Menschen als Barbaren
gehen Bücher schließlich mal entzwei.
Joachim Ringelnatz
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Das Bilderbuch
Von der Poesie sucht Kunde
mancher im gelehrten Buch,
nur des Lebens schöne Runde
lehret dich der Zauberspruch:
doch in stillgeweihter Stunde
will das Buch erschlossen sein,
und so blick ich heut hinein,
wie ein Kind im Frühlingswetter
fröhlich Bilderbücher blättert,
und es schweift der Sonnenschein
auf den buntgemalten Lettern,
und gelinde weht der Wind
durch die Blumen,durch das Herz
alte Freuden, alten Schmerz –
Weinen möchte ich, wie ein Kind!
Joseph Eichendorff
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Ich kann mich an Büchern nicht ersättigen;
und habe ihrer doch wohl mehr als genug.
Aber wie mit anderen Dingen geht es hier;
erfolgreiches Suchen wird zum neuen
Ansporn der Habsucht.
Ist es doch etwas Einzigartiges um Bücher!
Gold, Silber, edle Steine, Purperkleider,
marmorne Paläste, Bildtafeln, reiche
Äcker, prächtig geschmückte Pferde und
alles dergleichen, es sind nur stumme
und oberflächliche Genüsse.
Bücher aber erfreuen uns im innersten
Herzen, sie reden mit uns, sie raten uns,
sie sind uns verbunden in lebendiger,
inniger Gemeinschaft.
Francesco Petrarca (1304-1374)
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Die achte Todsünde
Ein Dichter darf mit seinen Sachen,
uns wütend, darf uns rasend machen,
wir steckens schließlich ruhig ein,
wer wird denn immer „Kreuzigt!“ schrein?
Nur eins darf man ihm nie verknusen,
und gäbs statt neun selbst neunzig Musen:
Wenn er in reimen wässrig tränt,
indes sein armer Leser gähnt,.
Drum, wer uns langweilt oder ledert,
verdient, dass man ihn teert und federt!
Arno Holz (1853-1879)
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In den Dichtern träumt die Menschheit
(Friedrich Hebbel)
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Das lesende Kind
Auf dem Schoß das Buch gebreitet,
scheinst du nichts um dich zu missen,
starrst hinein, indes beflissen
übers Blatt der Finger gleitet.
In das Meer der Zeichen leitet
dich kein Können noch kein Wissen,
unbeschränkt, in schwanken Rissen
sich dein junges Sinnen weitet.
Süßes Dämmern! Traumunwoben
schläft das Denken noch im Neste,
nur das Fühlen schwebt nach oben.
Ach, des Lebens trübe Reste
bleiben, wenn der Flor gehoben –
das Geheimnis ist das beste.
Wilhelm Arent (1864 – um 1913)
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BÜCHER
-Hermann Hesse-
Alle Bücher dieser Welt
Bringen dir kein Glück,
Doch sie weisen dich geheim
In dich selbst zurück.
Dort ist alles, was du brauchst,
Sonne, Stern und Mond,
Denn das Licht, danach du frugst,
In dir selber wohnt.
Weisheit, die du lang gesucht
In den Bücherein,
Leuchtet jetzt aus jedem Blatt
— Denn nun ist sie dein.
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