Social Distancing
Der Balkon, das Ohr zur Welt
Die Pandemie zwingt zum Stillhalten, zum Hören, auf die Geräusche im Hof und auf das Weltgeschehen. Wie gut, wenn wenigstens noch die Bücher bei uns sind.
Von Dagmar Leupold
Wer, wie ich, einen Balkon hat, der nicht zur Straße, sondern zu einer ganzen Serie von Innenhöfen und -gärten hinausgeht, für den wird das Gebot der Stunde – distanziert euch! – akustisch konterkariert. Wie in einem Amphitheater ist jeder Laut, auch der geflüsterte, im gesamten Rund wunderbar deutlich zu vernehmen. Ich habe Nähe-Erlebnisse der intimsten Art, Stimmen werden mir vertraut, deren Träger ich nicht kenne, auch nicht erkennen würde, träfe ich sie im Supermarkt um die Ecke oder in der Eisdiele zwei Straßen weiter. Man wird zum – ja, wie nennt man die akustische Analogie zum Voyeur? – zum Ohrenzeugen.
Da dringen Corona-Erziehungsstrategien ("Power dein Kind aus") herauf, da spielen sich Beziehungskisten und -dramen ("Mich kannst du nicht streamen") als Hörspiel ab, da sind die hilflosen Trostversuche einsamer Großeltern am Telefon ("Du hast doch immer so gern Puzzle gelegt"). Neben der akustisch vernehmbaren gibt es aber auch stumme Gesellschaft: Auf dem wackligen Balkontischchen liegen drei Bücher, scheinbar spielerisch-wahllos aus dem Regal gezogen, nein, eigentlich entliehen, denn die eigenen Bestände werden in dieser Zeit verheißungsvoll unbekannt wie die einer öffentlichen Bibliothek. Zuoberst Walter Benjamins wunderbare autobiografische Skizzen Berliner Kindheit um neunzehnhundert. Loggien lautet der Titel des Texts, der in der Fassung letzter Hand den Auftakt macht.
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https://www.zeit.de/kultur/literatur/fre...r-nachbarschaft
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Lesen macht nicht immer glücklich, zum Buch greifen sollten wir aus anderen Gründen
Bücher sind keine Allzweckwaffe in Krisenzeiten.
Am 20. März 1907 veröffentlichte Marcel Proust im «Figaro» einen mit «Journées de lecture» überschriebenen Text, der mit einer für heutige Ohren bemerkenswerten Erfahrung einsetzt: «Es gibt augenblicklich ‹so viele Kranke›, dass die Bücher Leser finden, sogar Leserinnen. Gewiss, wenn man nicht ausgehen und Besuche machen kann, würde man lieber welche empfangen als lesen. Doch ‹bei diesem Epidemiewetter› sind selbst die Besuche, die man empfängt, nicht gefahrlos. (. . .) Also zieht man es vor, nicht oft zu empfangen, und da man nicht dauernd telefonieren kann, liest man.»
Ja, das kennt man. Wurde nicht in den vergangenen Wochen permanent beschworen, dass sich die Zeit der erzwungenen häuslichen Abschottung und der reduzierten Sozialkontakte prächtig dazu nutzen liesse, Versäumtes endlich anzugehen? Und da man nicht ständig sein Smartphone zücken, den Keller ausmisten und die Unterlagen fürs Steueramt ordnen kann, schien die Stunde der aufgeschobenen Lektüren zu schlagen. Endlich Robert Musils «Mann ohne Eigenschaften», alle Romane von Jane Austen oder Jeremias Gotthelfs gesammelte Predigten nacharbeiten und die Stille lesend geniessen.
Selten wurde das Loblied auf das Lesen und die Bücher derart vehement angestimmt wie in den letzten Monaten, vor allem natürlich von denjenigen, die von Berufs wegen mit dem Lesen und den Büchern zu tun haben. Es mangelte dabei nicht an Stimmen, die die Lektüre – vor allem von belletristischen Werken – zu einem Allheilmittel stilisierten. Überhöhungen dieser Art entstehen offenbar bevorzugt in Krisenzeiten, und so setzten die Beweihräucherungen des Lesens lange vor den Corona-bedingten Einschränkungen ein.
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https://www.nzz.ch/feuilleton/buecher-tr...raus-ld.1556721
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Schreiben im Zeichen des Geldes
Die Marktbedingungen, unter denen freie Schriftsteller arbeiten, schlagen sich in der Ästhetik nieder – und in der sozialen Zusammensetzung des Literaturbetriebes. Von Philipp Schönthaler
Ein Feature der deutschen Ausgabe des Manager Magazins widmete sich vor einigen Jahren Unternehmern und Managern, die literarisch schreiben. Einige der Autoren wie Ernst-Wilhelm Händler oder der ehemalige Rechtsanwalt und zeitweise Verlagsleiter Georg M. Oswald wissen beide Sphären zu vereinen, andere haben der Wirtschaft ganz den Rücken zugekehrt. Die Motivationen sind unterschiedlich, neben dem Überdruss an der „fremdgesteuerten Existenz“ eines Managerdaseins steht die Hoffnung, mit dem Traum einer anderen Tätigkeit oder gar Existenz ernst zu machen und statt des Berufs einer Berufung zu folgen. Über die neuen Gehaltsabrechnungen macht sich keiner der Renegaten Illusionen. Um es auf den durchschnittlichen Jahresverdienst eines „bescheidenen Managergehalts von, sagen wir, 125.000 Euro zu bringen“, rechnet Eva Buchhorn im Jahr 2012 vor, müssen Romane geschrieben werden, die sich bei einem Ladenpreis von 19,80 Euro mindestens 68.900 Mal verkaufen. In der Branche gelte das als Erfolg. Bereits ab 20.000 Verkäufen darf der Titel eines „Bestsellers“ reklamiert werden, versichert das Blatt einer Leserschaft, die einen anderen Umgang mit Zahlen pflegt, als dass sie sich von diesen beeindrucken ließe. Dass der Artikel dennoch nicht peinlich ausfällt, ist auch durch die Bildstrecke sichergestellt: Sie zeigt sieben Männer im reifen Alter, großteils mit Jackett und Hemd, nicht anders kleidet man sich in Unternehmen. Selbst die stereotypen Statussymbole fehlen nicht. Ernst-Wilhelm Händler schaut aus seinem „schwarz glänzenden Audi A6“, in einer Hand sein Diktiergerät, „dunkelgrauer Anzug, Krawatte, Aktentasche“. Utz Claassen sieht aus, wie er immer aussieht, nur der Kontext ist ein anderer, statt für die EnBW tritt er als Krimiautor in eigener Sache auf. Die Inszenierung der Managerautoren überspielt die mageren Verdienst- und Absatzzahlen der neuen Branche, die ganz niedrigen fehlen aber eh. Wer wissen will, was literarisches Schreiben in den Niederungen der Statistik bedeutet, wird aus dem Manager Magazin nicht schlau.
..Nach den Zahlen, die ich zur Verfügung habe, können überhaupt nur 5 Prozent der Autoren von ihren Büchern leben. Ich hab’ auch noch eine andere Zahl, wenn man 3000 Bücher in zwei Jahren verkauft, dann hat man einen Stundenlohn von 1,54 Euro.“ ..
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https://volltext.net/texte/philipp-schoe...hen-des-geldes/
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FRANKFURTER LITERATUR-VEREIN
Bücher aus aller Welt
Seit 40 Jahren sorgt ein Frankfurter Verein dafür, dass deutschsprachige Verlage Titel aus dem globalen Süden herausbringen. Das Resultat: 800 Bücher, von denen viele ohne Hilfe vermutlich nie erschienen wären.
Damals, als man noch „Dritte Welt“ sagte, in grauer Vorzeit also, noch vor dem Mauerfall, dem Ende alten Blockdenkens und zwei bis drei Jahrzehnten rasanter Globalisierung, waren Romane aus Westafrika oder Gedichte aus Südostasien für die meisten deutschsprachigen Leser unbekannte Kontinente, weiße Flecken auf der literarischen Landkarte. Es gab sie nicht, zumindest nicht in Übersetzung. Die Mitglieder eines Vereins aus Frankfurt, die sich besser auskannten als der Durchschnittsleser, nahmen sich vor, das zu ändern.
Vierzig Jahre ist der Entschluss her. Seitdem hat die Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika ihn in die Tat umgesetzt. In viele Taten. Mehr als 800 Titel hat sie seit ihrer Gründung gefördert, finanziert vor allem mit Mitteln des Auswärtigen Amtes in Berlin, das zu dieser kleinen Ecke Kultur- und Entwicklungspolitik in seinem Portfolio bis heute steht. Viele Jahre gab es für Schweizer Verlage Geld der Stiftung Pro Helvetia, heute stammt es aus dem Südkulturfonds der Schweizer Bundesregierung. Das Resultat: 800 Bücher, von denen viele ohne Hilfe aus Frankfurt vermutlich nie erschienen wären.
Und wenn Bücher aus dem Süden der Welt heute vielfach in großen Verlagen erscheinen, liegt das auch an der jahrzehntelangen Aufbauarbeit von Litprom. So nennt sich die Gesellschaft heute. Untergebracht ist sie im Haus des Buches an der Braubachstraße in der Frankfurter Innenstadt, zur Miete beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels und der Frankfurter Buchmesse, deren jeweiliger Direktor traditionell den Vorsitz des Vereins übernimmt.
Von dort aus veranstaltet sie jedes Jahr im Januar die „Literaturtage“, die Autoren aus einer ausgewählten Weltgegend im Frankfurter Literaturhaus versammeln, und veröffentlicht viermal im Jahr die „Bestenliste Weltempfänger“, auf der eine Jury aus Literaturkritikern Buchempfehlungen gibt. „Wir sind weder Veranstalter noch Verleger noch Agenten“, sagt Anita Djafari, Litprom-Geschäftsführerin bis zum Beginn ihres Ruhestandes Ende Oktober: „Wir sind irgendwie alles. Wir sind einmalig.“
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https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/b...t-16849183.html
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BRÜDER GRIMM
Das schwarze Schaf der Märchenfirma
Ferdinand Grimm war Märchensammler wie seine Brüder - sie allerdings wollten nichts mit ihm zu tun haben.
Wieso Gebrüder Grimm? Die "Ge"-Vorsilbe scheint unausrottbar. Was wie eine eingebürgerte Altertümlichkeit wirkt, ist eine sprachliche Ungenauigkeit, die man gerade dann aufklären muss, wenn es um die Initiatoren des "Deutschen Wörterbuchs" geht. "Brüder" bezeichnet ein Verwandtschaftsverhältnis, "Gebrüder" eine Firmengründung von Brüdern. Beispielsweise hätten die Brüder Schmidt dieselben Eltern, die Gebrüder Schmidt hingegen obendrein denselben Laden für Schiffstaue und Zuckerwatte.
Wobei - in Zusammenhang mit den Brüdern Grimm bekommen die Gebrüder schon wieder einen vielsagenden Beigeschmack: Kein Familienunternehmen ohne schwarzes Schaf. Daraus ist manch eine Fernsehserie gemacht. Warum sollte es in der Märchenfabrik anders sein?
Im konkreten Fall war das schwarze Schaf Ferdinand Grimm. Geboren am 18. Dezember 1788 in Hanau, war er jünger als Jacob (am 4. Januar 1785 geboren) und als Wilhelm (am 24. Februar 1786 geboren) und älter als Ludwig Emil (am 4. März 1790 geboren). Ludwig Emil schlug eine Laufbahn als Maler ein, die anderen drei Brüder waren Germanisten und Sammler von Märchen und Sagen.
Die Besinnung auf Volksgut lag im Zug der Zeit, war aber darüber hinaus durchaus auch von politischer Relevanz. Denn das Deutschland unserer Gegenwart besteht, nach einigen Vorläufer-Bündnissen, erst seit 1867. Bis dahin gab es das dominierende Königreich Preußen und zahlreiche zum Teil untereinander verfeindete Fürstentümer - und das Königreich Bayern, das auch als heutiger Freistaat eine Sonderrolle beansprucht.
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https://www.wienerzeitung.at/nachrichten...rchenfirma.html
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Ich weiß nicht, ob es hierher gehört, aber es macht mich traurig.
https://www.spiegel.de/kultur/literatur/...4f-dee24c3ca259
Schreiben macht schön.
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„Zettel’s Traum“ von Arno Schmidt
Das dickste Buch der deutschen Literatur – als Kurzversion
Mit neun Kilo und 1334 Seiten ist „Zettel’s Traum“ das absolute Schwergewicht der deutschen Literatur. 51 Jahre später erscheint das Kultwerk in handlicher Fassung. Die Kolumne Fundstücke.
PETER VON PECKER
Es ist das größte oder zumindest schwerste Buch der deutschen Literatur. Vor 51 Jahren erschien „Zettel’s Traum“ als Opus Magnum von Arno Schmidt. Das Werk hatte in der Originalausgabe 1334 Seiten im Format DIN-A3, wog neun Kilo und war ein dreispaltiges Faksimile, das in der Seitenmitte Schmidts Schreibmaschinen-Typoskript samt handschriftlichen Einfügungen darbot. Die linke Randspalte war mit Zitaten von Edgar Allan Poe versehen, die rechte enthielt als Marginalien unzählige gelehrte, kuriose, aberwitzige Anmerkungen, Assoziationen, Glossen, Erweiterungen oder Streichungen des Verfassers.
Diese Erstausgabe im Stuttgarter Stahlberg Verlag hatte eine Auflage von 2000 Exemplaren, kostete damals 295 DM und war binnen zwei Monaten vergriffen. Es war nach jahrelangen Gerüchten und allerlei Medien-Raunen während der Entstehungszeit: ein Kultbuch. Für überdimensionierte Regale oder standfeste Coffeetables. Später gab es noch Raubdrucke, und im 21. Jahrhundert erste Editionen, die das in Schmidts ganz eigener Sprache, Phonetik und mit kryptischen Satzzeichen versehene Typoskript in ein mit Drucklettern gesetztes Buch verwandelten, dank den Vorarbeiten eigener Dechiffriersyndikate.
Aber weil nur wenige wohl „Zettels Traum“ wirklich ganz gelesen haben, gibt es inzwischen als Edition der Arno Schmidt Stiftung auch eine handliche Short Version: „Zettel's Traum“ (Ein Lesebuch, Hrsg. Bernd Rauschenbach, Suhrkamp, Berlin 2020, 254 S., 25 €). Interpretiert von Ulrich Matthes, ist „Zettel's Traum“ ab September zudem auch als Hörbuch zu haben (Aufbau Audio, Berlin, 1 mp3-CD, 19, 99 €).
Einst war Arno Schmidt (1914 - 1979) als genialer Sonderling ziemlich berühmt. Zumal er als „Eremit“ im Dörfchen Bargfeld in der Lüneburger Heide, wo sein Wohnhaus heute ein musealer Wallfahrtsort für Schmidtianer ist, durch seine Absenz vom allgemeinen Kulturbetrieb zugleich als Attraktion wirkte.
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https://www.tagesspiegel.de/kultur/zette...n/27493086.html
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Ich war einmal im Haus von Arno Schmidt in Bargfeld aus den 1950ern mit den Orginal-Zetteln zu Zettels Traum. Verdammt eng, verdammt miefig und piefig, 1950er Jahre halt. Cognac hat er gesoffen und seine Frau / Haushälterin mißhandelt. Ein weiteres "Genie", das leider zuvorderst ein versoffenes Arschloch war.
Jörn
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
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So viel Bücher-Schrott
Kritikerklagen über die Bücherflut sind alt. Die Menge an Schrott, die jedes Jahr produziert wird, ist erdrückend. Doch eine Trendwende kündigt sich an.
„Zu viele Bücher! Macht weniger, aber bessere Bücher!“ Kritikerklagen über die Bücherflut sind alt – wahrscheinlich gibt es sie, seit es Buchmessen gibt. Man muss einmal physisch in den Frankfurter Messehallen gewesen sein, um Bücher in ihrer dann schieren Menge und erdrückenden Vielzahl zu erfahren (manchmal reicht auch ein Schreibtisch in der Redaktion der „Literarischen Welt“).
Nicht alles, was die Branchenstatistik als „Titelproduktion“ ausweist (Titel im Branchensprech sind Bücher), hat mit Romanen, Krimis, Ratgebern oder Biografien zu tun. Rund 20 Prozent aller Bücher, die jedes Jahr neu erscheinen, sind laut Börsenverein des Deutschen Buchhandels Belletristik. Im Jahr 2020 also „nur“ 13.880 von insgesamt 69.180 Novitäten. Die Statistik weist nur Erstauflagen aus; Bücher, die jahrelang in zweiter, dritter, xter Auflage produziert werden, bleiben außen vor. Jahrzehntelang ging es mit der Zahl der Neuerscheinungen pro Jahr nur aufwärts.
Seit dem Höchststand von 84.351 Erstauflagen im Jahr 2010 ist eine Trendwende zu verzeichnen. Was noch nicht heißt, das der Schrott signifikant weniger geworden wäre. Denn wie wusste schon Marcel Reich-Ranicki: „Das wirklich Gute ist – sehr selten.“
https://www.welt.de/kultur/literarischew...eraturflut.html
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Soooo ----- jetzt beschmutze ich mal wieder das eigene Nest.
1. Messekonzepte wir das der Frankfurter Buchmesse sind obsolet.
2. Ökologisch gesehen ist eine Messe solchen Ausmaßes Wahnsinn.
3. Schon vor Corona wurden die Verlage immer unzufriedener: immer höhere Kosten, immer weniger Service, immer weniger wirtschaftlicher Nutzen.
4. Bücher werden teurer werden. Und weniger. Und das ist gut so. Das ist wie mit Fleischessen: Bitte weniger, dafür qualitativ gut, dann gern teurer. Denn: Es gibt kaum noch Zellulose, kein Papier, keine Pappe, Bindemittel, die Frachtkosten steigen exorbitant, wenn es überhaupt freie Container gibt. Die Herstellung eines Buches lässt sich so nicht mehr kalkulieren.
5. Eine Messe AG, die allen Ernstes faschistische Verlage ausstellen lässt und dies auch noch mit Meinungsvielfalt begründet, trotz der Handgreiflichkeiten vor 2 Jahren, gehört boykottiert und abgestraft. Faschismus ist keine Meinung.
6. Der großen Buchblase geht die Luft aus. Und das ist gut so.
Jörn
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
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Enthält Sprache
Unser Autor Stephan Porombka weiß, wie man beim Deutschen Buchpreis sehr weit kommt
1. Triggerwarnung
Bis ganz nach vorne schaffen es nur Bücher, die niemanden mit unangenehmen Worten oder Formulierungen belästigen. Jeder soll nur das lesen, was er lesen will! Für den Fall, dass man bei der Verlagskontrolle doch etwas Anstößiges, Abstößiges oder Ausstößiges übersehen hat, sollte eine Triggerwarnung mitgedruckt werden. (Aber aufgepasst! Bereits die Triggerwarnung kann derart triggern, dass die Jury Angst hat, bei der Preisvergabe jemanden zu triggern, der jemanden kennt, der von Triggerwarnungen getriggert werden könnte.)
2. Autorenfoto
Nach der derzeitig gültigen Trend-Verordnung der veröffentlichten Meinung (§110, Abs.4) darf nur ein Buch mit Autorenfoto (m/w/d) gewinnen, auf dem die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale so in Szene gesetzt werden, dass deutlich wird, dass sie nur insofern von primärem Interesse sind, dass sich sekundär zuordnen lässt, wie primär bzw. sekundär sich um was für eine Identität bemüht wird. (Siehe auch #herkunft)
3. Hardcover
Zu klein, zu schmal, zu dünn, zu digital? Das kann man knicken. Das Gewinnerbuch muss superklassisches Hardcover sein. Es muss souverän von selber stehen. Der Brustpanzer muss den Härten des Buchmarktes trotzen. Gewichtig muss es in der Hand der Jury liegen. Und wenn es runterfällt, müssen die Leute aus der Wohnung unten denken: Da oben rasten schon wieder die krassen Hochkultur-Punks aus.
4. Einband
Der Einband des Siegerbuches muss nicht nur Staub abwehren. Er muss auch veritable Shitstorms aushalten. Von der herumfliegenden öffentlichen Scheiße sollte das Buch dann so gut wie alles spurlos abtropfen lassen und nur die wertvollen Mineralstoffe einsaugen, die das Immunsystem der bildungsbürgerlichen Filterbubble stärken.
5. Titel
Der Siegertitel muss sich gut per Hashtag in Umlauf bringen lassen: #miroloi … toll! #winterbienen … richtig gut! #kintsugi … naja, fast ein bisschen zu gewollt. Genial dagegen: #herkunft … Das ist kurz. Das ist knapp. Und „Herkunft“ ist ein Knallerthema. Da redet ohnehin schon jeder drüber. Die Hashtag-Umlaufmaschine läuft schon. Und wer Sieger werden will, läuft einfach erstmal im Mainstream mit.
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https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/enthaelt-sprache
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Wie man Gedichte unters Volk bringt
Lyrik – liest doch keiner? In deutschen Bahnhofsbuchhandlungen gibt es neuerdings ein Magazin, das Gedichte populär machen will. Klassiker aus der Schule und Zeitgenossen von heute. Das kann sich sehen lassen.
Viel Schönes existiert auf Erden, das Menschen bereichern könnte, aber was, wenn die Menschen nicht wollen? Gedichte zum Beispiel – oft gerühmt, aber wer will sie lesen? Keiner und Niemand? Wie bringt man sie an den Mann und die Frau?
Oliver Wurm, Verleger aus Hamburg, löst das Problem auf seine schon erprobte Weise – er macht ein Magazin daraus. Biegsam und handlich formatiert, betitelt „dreizehn + 13 GEDICHTE“, mit auffälligem Gelb unterlegt, werden dreizehn Gedichte vorgestellt, jedes umgeben von einem perfekt gezeichneten Dichterkopf sowie einer mehrseitigen Erläuterung.
Sie informiert über biographische Hintergründe, den historischen Kontext und das, was der Autor oder die Autorin wohl gemeint hat – ein weites Feld, auf dem der Leser heutzutage autonom herumspaziert und nicht mehr an des Lehrers Meinung gebunden ist wie einst in der Schule.
Hat man es durchstreift, gibt es zur Belohnung noch 13 zeitgenössische Gedichte mit Kurzkommentar, jedes auf einer Doppelseite. Alles zusammen ergibt knapp 150 Seiten, kostet zehn Euro. Und ist das Geld wert. Kaufen kann man das Magazin an Kiosken und in Bahnhofsbuchhandlungen, also an gern besuchten, schwellenlosen Orten. Und wo könnte man entspannter im erworbenen Druckwerk blättern als im Zug?
Geleitet von der Einsicht, dass Texte ohne visuelle Stützen wenig verlocken, hat das Layouter-Team angenehme Hintergrundfarben ausgesucht und deutliche, abwechslungsreich gedruckte Schrifttypen – schon das Inhaltsverzeichnis mit den bunten Porträts zu betrachten ist ein Vergnügen. Selten sah man die Dichterinnen und Dichter so freundlich idealisiert wie hier.
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https://www.welt.de/kultur/literarischew...buchhandel.html
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