Die Eroberung des Deutschseins
„Irgendwo in diesem Dunkel“: Natascha Wodin erzählt von Neuem aus ihrer traumatischen Jugend – nun in einem Vaterbuch.
Das kleine Mädchen mit dem Pagenkopf auf dem Umschlag war schon in Natascha Wodins letztem, 2017 mit dem Leipziger Buchpreis ausgezeichnetemErinnerungsbuch „Sie kam aus Mariupol“ zu sehen. Es erzählte die Geschichte der ukrainischen Mutter, die sich das Leben nahm, als die spätere Autorin, ihre älteste Tochter, zehn Jahre alt war.
Aufgenommen wurde das Bild am Grab der Mutter. Neben dem wie versteinert wirkenden Kind wirft der Vater einen bedrohlichen Schatten. An diesem Punkt setzt „Irgendwo in diesem Dunkel“ ein, das neue, in Rückblenden erzählte Memoir über eine wunderbare Befreiung. Jetzt steht die Erzählerin am Grab ihres russischen Vaters, der die Mutter um mehr als drei Jahrzehnte überlebte; sie fürchtete ihn zeitlebens. Von ihren Gefühlsstürmen, der Verzweiflung und späteren Flucht berichtet sie in sachlichen, klaren Sätzen, die den Leser sofort in den Bann ziehen.
Wenn man die Erzählerin mit der Person in eins setzen darf, wirkt es wie ein Wunder, dass sie ihre Kindheit und Jugend überlebt hat. Hätten ihre Eltern sie nur ein halbes Jahr früher gezeugt, hätte man das Neugeborene wahrscheinlich im Zwangsarbeiterlager sterben lassen. Im Mai 1945 befreien die Amerikaner Leipzig, im Dezember wird Natascha in einem Fürther Krankenhaus geboren.
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https://www.tagesspiegel.de/kultur/neuer...s/22994490.html
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