Mit einem Grashalm schreiben. Gedichte von Alberto Nessi
Der Tessiner Dichter Alberto Nessi ist ein grosser Sprachkünstler und Wortzauberer. Nun hat Christoph Ferber eine Auswahl seiner zuletzt entstandenen Gedichte mit musikalischer Virtuosität ins Deutsche übersetzt.
Kann man ein Gedicht auf so Unscheinbares wie einen Sauerampfer schreiben? Oder auf den exzentrisch leuchtenden Klatschmohn? Oh, ja, dies gewiss, viele taten es. Paul Fleming und Albrecht von Haller zum Beispiel, oder Adam Zagajewski und Czeslaw Milosz, Paul Celan hatte seinen zweiten Gedichtband von 1952 gar «Mohn und Gedächtnis» überschrieben. Darin steht der rätselhafte Vers: «wir lieben einander wie Mohn und Gedächtnis». Und denkt man also bei «Mohn» an Schlaf oder Vergessen, wofür die opiathaltige Pflanze sinnbildlich steht, dann sieht man, wie Celan die Gegensätze nicht zur Deckung, aber in eine innige Vertrautheit bringt.
So ruft darum der Tessiner Dichter Alberto Nessi eine lange Tradition herauf, wenn er eines seiner jüngeren Gedichte «An einen Klatschmohn» überschreibt. Und zugleich steht dieses Gedicht ganz eigenständig in einem Werk, das über viele Jahrzehnte gewachsen ist und dabei in schlichter Selbstverständlichkeit ein Herbarium buchstabiert. Nichts Exotisches steht in diesem Pflanzenbuch, nur lauter Gräser, Weiden oder Linden, Hafer oder Farne, und eben Sauerampfer und Mohn.
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https://www.nzz.ch/feuilleton/mit-einem-...essi-ld.1429144
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