Lieben? Eigentlich lieber nicht, finden A. L. Kennedys Figuren – und tun's am Ende doch
In ihrem neuen Roman bürstet die Schottin A. L. Kennedy einmal mehr die Liebe zünftig gegen den Strich. Nicht nur äussere Umstände, sondern auch ziemlich brüchige Seelen und Herzen machen ihrem Paar zu schaffen. Das kann anstrengend sein, beschert aber auch himmlische Momente.
Sie wollten ja bloss miteinander essen gehen, Meg und Jon. Um 15 Uhr, wenn die Lunch Time in London vorüber ist und kein Risiko besteht, von hungrigen Horden umtost im Lokal zu hocken oder schon gar keinen freien Tisch zu finden. Ach, sie hätten es besser wissen sollen: Ihresgleichen lacht das Glück auch um drei Uhr nicht. Endete nicht die letzte derartige Übung damit, dass sie erst gegen Abend vor Tellern voll tückischer Pasta sassen, die dann auch prompt unübersehbare Spuren auf Jons Hemdbrust hinterliess?
Dennoch hat dieses wohl komplizierteste aller britischen Liebespaare nun einen erneuten Anlauf unternommen. Und es sei gleich verraten: Sie werden auch diesmal hungrig bleiben, bis zum weit nach Mitternacht gemeinsam genossenen Honigbrot. Das vielleicht auch stimmige Kost ist für «Serious Sweet», A. L. Kennedys neuen Roman, den Ingo Herzke und Susanne Höbel unter dem Titel «Süsser Ernst» ins Deutsche gebracht haben.
Genau 24 Stunden übergreift die Handlung des Buches; allerdings nicht von Mitternacht zu Mitternacht, sondern – schon der Umschlag verrät, dass hier Wert auf exakte Zeitangaben gelegt wird – von 6 Uhr 42 bis 6 Uhr 42. Man könnte den Zeitrahmen im Blick auf Joyce’ «Ulysses» und Virginia Woolfs «Mrs. Dalloway» als ambitiöse literarische Vorgabe wahrnehmen, täte der Autorin damit aber wohl unrecht; auch andere angelsächsische Autoren, unlängst etwa Graham Swift in «Ein Festtag», haben Romanhandlungen auf einen Tag kondensiert, ohne sich dabei nach den übergrossen Vorbildern zu recken. Prekär wird solch ein Experiment erst, wenn einer – wie Michael Cunningham in seiner Woolf-Variation «The Hours» – explizit auf diese rekurriert.
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