Ist kurz über #unten schon oben?
Eine Kolumne von Mely Kiyak
Es ist die Aufgabe der Nichtarmen, für die Würde aller Armen zu kämpfen. Und es ist nicht die Aufgabe der Linken, arme Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausspielen.
Natürlich fragt man sich, ob arm, unterrepräsentiert und chancenlos zu sein, mit dem Begriff "unten" präzise umschrieben ist. Denn es findet gerade eine Diskussion darüber statt, wie es ist, "unten" zu sein. Oder wie man dem "unten" entkam. Zur Zeit wird auf Twitter die Klassengesellschaft unter dem Stichwort #unten sichtbar gemacht, und wie immer bei öffentlichen Diskursen wird die Metaebene sofort mitdiskutiert. Während die "unten" damit beschäftigt sind, ihr Untensein zu beschreiben, rezensieren das bereits einige von der Seitenlinie aus, gewissermaßen von "oben" herab.
Fortschritt und Modernität wird mit dem Begriff "vorwärts", das Reaktionäre mit "rückwärts", Armut mit "unten" und Reichtum mit "oben" codiert. Wo aber gehört der FDP-Wähler aus dem verarmten Adel hin? Warum empfinden sich sozial aufgestiegene Politiker oder vermögende Fußballspieler mit Migrationshintergrund zeitlebens dem "unten" zugehörig? Woran macht man die Kategorien des Untenseins also fest? Am Eigentum, am sozialen Status, an Herkunft?
Armut hat viele Gesichter. Dass ein Flüchtlingskind, das in einer deutschen Erstaufnahmeeinrichtung mit seiner Mutter lebt, die nichts besitzt und keinen Beruf hat, arm ist, darauf kann man sich vermutlich schnell einigen. Neben den ökonomischen Faktoren gibt es aber zahlreiche sozialpsychologische Aspekte wie Entfremdung, Ausgrenzung und Isolation, die auch Kinder betreffen, deren Lebensverhältnisse von außen betrachtet erst einmal nicht dramatisch erscheinen. Das Kind einer alleinerziehenden Sprechstundenhilfe wird sicherlich nicht hungern müssen, trotzdem käme man nie auf die Idee, es mit dem Kind des Sparkassendirektors zu vergleichen. Obwohl beide Kinder im selben Viertel leben, denselben Schulbus zur Schule nehmen, Abitur machen und studieren. Fehlende Chancengleichheit sprengt den Rahmen des Sichtbaren. Wenn dann noch Rassismus, Sexismus und andere Diskriminierungen stattfinden, dann landet man bei der Klassenfrage und automatisch bei einem Gespräch, das sich mit der Aufbesserung des Kontostandes nicht erledigt.
Weiterlesen:
https://www.zeit.de/kultur/2018-11/armut...ancengleichheit
Und es ist nicht die Aufgabe der Linken, arme Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausspielen.
Nein, das macht unsere Regierung freiwillig. Und gerne.
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