Frost
Ein eisiger Ostwind treibt leichten Schnee über den Asphalt.
Der Januar wehrt sich gegen die verfrühten Schreie nach dem Frühling,
gegen die groteske Lust, den gewarteten Rasenmäher schon zum Einsatz
zu bringen.
Sommergetunte Hecken und Sträucher wirken in ihrer akkuraten Nacktheit
wie Hohn unter weißen Dächern.
Mützen und Kapuzen fliehen rasch in die Behaglichkeit zurück.
Der Frost fordert ein wenig Respekt von den immer lärmbereiten T-Shirts,
die doch so gerne schon in den Cafes in den Klimawechsel lachen wollen.
Die immer nach Wachstum gröhlenden Weltvernichter laufen nicht durch
die Wälder an dem Zivilisationsbraun der Tannen vorbei, das das Grün
auffrisst.
Das Schweigen auf den Feldern hört man nicht auf den Autobahnen, Stille
ist Lähmung in Konsumpalästen, nur ein winterlicher Januartag mahnt zur
Besinnung..
Die Furchen in den gepflügten Feldern wirken jetzt wie geflochtene Haare,
auf gefrorenen Rinnsalen bilden sich Apfelmännchen-Bilder, die kurzen
Gräser erstarren im Frost, und der Schnee auf den dünnen Ästen der Bäume
wirkt wie ein bezauberndes Make-Up.
So weit muss man gehen, um vor den Wort-Termiten zu fliehen, die das
Gefühl "Frieden" auffressen..
Mit triefender Nase das Gesicht in den Wind halten, um für einen Moment
diesem bizarren Comicstrip zu entkommen, den man als "Leben" anpreist,
in allen Preisklassen, Hauptsache laut und endlich.
Und doch wär ich so gerne wie Schnee, der immer weiß bleibt, einmal den
frischen Fußspuren im Schnee ein Gefühl mitgeben, das zu mir führt, nur für
einen Augenblick, der alles übersteht, bevor der Wind ganz sanft die Spuren
verweht, wie Worte, die man nur in die Vergangenheit spricht..
Und das Knistern, wenn Schuhe über zerbrechendes Eis auf Pfützen laufen
erschreckt nicht, es flüstert dir nur zu, du bist noch da, verspiele nicht jeden
Moment im Trubel, verschwende dein Lachen nicht auf jedem Karussell.
Lass die letzte Taube, die du losschickst, dich selber suchen, zu finden einen
Menschen, nicht einer in einer Menschenmasse.
Heute schrei ich, morgen wein ich,
übermorgen lache ich das Leben aus
Aber immer, aber immer
trage ich ein Glück nach Haus.
Auch an einem frostigen Januartag.
Sirius
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Dreimal habe ich deinen Spaziergang jetzt gelesen, Sirius, und weiß gar nicht, was ich sagen bzw. schreiben soll, außer, dass ich den Frost nur so in der Natur genießen kann, wie du es wunderbarst beschrieben hast.
Lieben Gruß
Lotte
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Das ist schön, liebe Lotte, dass es noch Momente gibt, in denen man noch nachdenkt und in denen man seine Bescheidenheit findet. Ich genieße das sehr.
Ich danke dir ganz herzlich für deinen schönen und verstehenden Kommentar!
Sirius
Reset the World!
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