Ein Leben voller Zu- und Übergriffe
REZENSIONMIA EIDLHUBER
Tanja Raich hat mit "Jesolo" beinahe unabsichtlich einen feministischen Roman geschrieben Es beginnt denkbar banal, nämlich mit einem Urlaub in Jesolo. "Wir liegen am Strand in Jesolo", schreibt die in Südtirol geborene und in Wien lebende Autorin Tanja Raich zu Beginn ihres Debüts. Und ihr Roman rückt ebenjenen Ort an der oberen Adria ins Zentrum – zumindest des anfänglichen Geschehens – und macht ihn gleich zum Titel des Buchs: Jesolo. Wie passend, denn jeder und jede war schon einmal da, zumindest wenn man in Österreich groß geworden ist. Jesolo, wie nett, wie naheliegend, und ja, wie langweilig. Aber langweilig wird einem nicht bei dem, was die Debütantin Tanja Raich da auf 220 Seiten einfach so ausbreitet mit ihren knappen Sätzen, die sich so schön banal anhören – "Die Sonnenschirme sind noch immer dieselben", "Du wirst ein großes Bier und eine Diavola bestellen, wie immer" oder "Du ziehst deine Hose aus, weil du glaubst, dass du deinen Teil erledigt hast": nämlich den ganz normalen Beziehungshorror, das gegenseitige Unverständnis, die Einsamkeit in der Zweisamkeit, dieses unauflösliche Beziehungsgeflecht zweier Menschen, die zusammen sind und von denen zumindest einer das infrage stellt.
Transformation Andrea und Georg sind Mitte dreißig, schon lange zusammen, besser immer noch – und schon wieder eine Weile zurück aus Jesolo, als Andrea bemerkt, dass sie schwanger ist. Raich, Jahrgang 1986, die hauptberuflich für den österreichischen Verlag Kremayr & Scheriau die Literaturschiene – übrigens sehr feministisch – programmiert, sagt in einem Promo-Video des Blessing-Verlags: "Ich hatte nicht unbedingt vor, einen feministischen Roman zu schreiben." Wie gut, dass es ihr dennoch passiert ist.
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