Zum ersten Mai hin haben wir ja die Walpurgisnacht. Diesem Datum aber traue ich nicht mehr, seitdem letzte Nacht drei Hexen ihren Zirkel in meinem Garten abhielten.
Im Gegensatz zu dem, was die Überlieferungen meinen, tanzen Hexen nicht nackt. Der Grund? Die Überlieferungen wurden von Männern erstellt. Außerdem gibt es bloß drei echte Hexen. Gab es immer nur. (Da Hexen den Zeitpunkt ihres Todes kennen, halten sie natürlich in weiser Voraussicht immer eine Reserve parat.)
Ansonsten tanzen Hexen überhaupt nicht. Sie kochen lieber Tee und schlürfen ihn von der Untertasse, wenn dieser zu heiß ist. Sie tun 10 Stückchen Würfelzucker in ihr Gebräu. Und echten irischen Whiskey, ohne dafür vom Teufel geholt zu werden. Sie ernähren sich fast ausschließlich von süßen Keksen und haben dennoch alle Zähne.
Normalerweise kann ein normaler Mensch echte Hexen und andere Vertreterinnen der Gattung Weiblichkeit nur sehr schlecht aus einander halten. Der Unterschied ist auch nicht so groß. Ein deutlicher Hinweis auf Hexen ist: Sie werfen manchmal keine Schatten. Diese haben eigene Persönlichkeiten entwickelt und sind häufig unterwegs um harmlose Gespenster zu erschrecken.
Und Hexen singen schlimmer a capella denn die Prinzen. Ganze Choräle. Über Frühling und Natur, als ob das keine Selbstverständlichkeit wäre, bedingt durch Erdentaumel um die Sonne.
Sie streiten sich darüber, wie man Äquinoktium ausspricht. Sie einigen sich auf Equilux, das hätten sie sowieso gerade. Sie benutzen dabei geheime Beschwörungen und Zauberformeln, ohne zu wissen, was sie bedeuten: Nutation und Aberration, Nullpunkdefinition für ekliptikale und äquatoriale Koordinaten und all so schreckliche Worte. Und der Vollmond leuchtet dieses Elend auch noch aus, als ob das wirklich nötig wäre.
Kein Wunder, wenn man sie gerne erwischt und verbrannt hätte. Hat man aber nie! Eine echte Hexe versuchen zu verbrennen ist genau so vergeblich wie das Bemühen einen ganz bestimmten Fisch – aus diesem Schwarm da – im Ozean zu ertränken.
Ich schleiche mich näher. Drei Schatten wollen mir den Weg verstellen, doch die erschrecken mich nicht sonderlich, schließlich bin ich kein Geist.
Ich hüstel diskret und die Damen wenden ihr Interesse von den Untertassen ab und mir zu:
„Wir werden beobachtet. Was machen wir bloß? Ein Mann! Müssen wir uns nun ausziehen? Bei diesem kalten Wind? Nö! Das ist Fake-Folklore und wir sind doch modern. Soweit ich mich noch damit auskenne, müssen wir diesem Kerl aber drei Wünsche erfüllen. Also?“
„Die Damen?“
„Ja-ja. Nicht gleich übertreiben?“
„Die … äh … ?“
„Daneben. Nun, bringen wir es hinter uns. Also, was willst Du?“
„Glück, Gold und Steaks.“
„Aha. Verblödung, Verblendung und wir sind Vegetarierinnen.“
„Tod allen Tyrannen!“
„Wir dürfen uns nicht so massiv politisch betätigen. Würde es nicht auch genügen, wenn die alle so einen Durchfall bekämen, dass sie nur noch vom Töpfchen aus regieren könnten?“
„Nee. Die sollen büßen und abschwören. Diese Ärsche sollen leiden.“
„Wie nachtragend. Aber das übersteigt unsere Macht. Also wollen wir auch nicht. Weil wir nicht können.“
„Logisch. Wie wäre es mit einem langen Leben?“
„Das würdest Du doch schon nach 10 Minuten bedauern.“
„Unbekümmerte Gespielin?“
„Junge, falls du es noch nicht mitbekommen haben solltest – du bist fast 70 Jahre alt. Was willst du mit unbekümmerten Mädchen? Wünsch dir eine hässliche Altenpflegerin, die können wir nämlich genau so wenig.“
Und so schmetterten die drei – jawollja – Vetel jeden geäußerten Wunsch von mir ab und wurden mir dabei von Minute zu Minute immer uninteressanter und hässlicher.
Macht? Ich würde mich nur selber verletzen. Talent? Mehr könne ich doch überhaupt nicht verkraften – und der Rest dieser Welt genau so wenig. Liebe? Ich solle mir einfach Mühe geben.
Selbst innere Gelassenheit hatten sie nicht im Programm und bekamen das auch sofort heftigst zu spüren:
„Na gut. Dann will ich eben einen Schluck Tee, einen Keks und einen Besen.“
Sie gaben mir einen Schluck, einen Keks und einen Reisigbesen mit Höhenangst ab.
Aber zum Vertreiben unerwünschter Gäste war er gut geeignet.
Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!
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Warum hast du dir denn kein schwarzes Loch gewünscht? Die haben doch immer eins dabei.
Hexen, die keine Wünsche erfüllen können und im Garten rumlungern, kenne ich genug, aber deine sind auch irgendwie sympathisch.
Ich finde es toll, dass du meistens in deinen Geschichte nicht so gut wegkommst, das gibt dir so etwas meschliches. Hier aber hast du sie am Ende noch weggefegt, ein feiner Schluss!
Hat mir wieder sehr gefallen, die Story.
Sirius
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