Medien und die AfD
Keine falsche Freundlichkeit
Sollen Medien die AfD behandeln wie jede andere Partei auch? Nach drei Jahren Omnipräsenz stellen sich immer noch viele Journalisten diese Frage. Dabei ist die Antwort ganz einfach.
Der Sommer ist vorbei, aber die Sommerinterviews mit den Möchtegern-Führern gehen weiter. Und sie zeigen die große journalistische Spannweite, mit der wir es zu tun haben. Letzten Sonntag zum Beispiel: Während Thüringens AfD-Chef Björn Höcke im ZDF-Vorabendprogramm gegrillt wurde, aus der Rolle fiel und klarstellte, wie ein Interview geht - nämlich "so nicht" - konnte man in der ARD fast zur gleichen Zeit einem gemütlichen Plausch mit Bundesparteichef Alexander Gauland lauschen.
Der saß da und erklärte uns Zuschauer*innen allen Ernstes, dass sein Kollege Höcke "immer wieder fehlinterpretiert" werde. "Beispielsweise dieses berühmte Mahnmal der Schande. Es ist das Mahnmal unserer Schande." Verstanden? Alles nur ein Missverständnis. Der Parteifreund ist eigentlich nur ein geschichtsbewusster Lehrer aus Hessen, er meint das nicht so. Der ist mehr Mahatma als Hitler.
Hält er uns für bescheuert? Über so viel Chuzpe kann man eigentlich nur lachen, doch das Lachen blieb mir im Hals stecken, weil Tina Hassel - die Journalistin - darauf nur sagte: "Gut, dann, ähm, kommen wir auf eine andere Nachricht dieser Woche." Wie bitte? So, wie das Gespräch insgesamt geführt wurde, bot es Gauland viel Gelegenheit, sich zu erklären - mehr nicht.
Als Hassel den AfD-Chef auf seine eigene Aussage anspricht "Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über tausend Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte", sagt dieser äußerst genervt: "Liebe Frau Hassel, ich hätte nicht gedacht, dass Sie das wieder anfangen, denn ich habe mich zehnmal für diese Geschichte entschuldigt." Statt zu widersprechen, was nahe läge, antwortet die Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios freundlich, "das ist gut, dass Sie das noch mal sagen" - und geht weiter zur nächsten Frage. Da ging es dann zwar allgemein um den Themenkomplex "Sprache der AfD", aber es gab keine kritische Nachfrage zu dieser konkreten Äußerung Gaulands.
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https://www.spiegel.de/kultur/gesellscha...-a-1287406.html
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