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  • Ein besonderer TagDatum10.09.2019 03:01
    Thema von Seeräuber-Jenny im Forum Kurzgeschichten

    Ihr kennt doch sicher diese Fernsehsendungen, in denen Menschen, die sich aus den Augen verloren haben, auf wundersame Weise wieder zusammenfinden. So ein kleines Wunder ereignete sich auch am Sonntag, und es war fast ganz echt.

    Eigentlich sind wir ja alle eine große Familie, die Darsteller der Lindenstraße auf und wir Fans vor dem Bildschirm. Auch bei uns kommt es vor, dass sich mal Menschen aus den Augen verlieren.

    So geschah es auch mit Kostas Papanastasiou, einem der großen alten Herren der ersten Stunde. Bis zur Folge 794 hatte er den Panaiotis Sarikakis gemimt, den singenden Wirt des Akropolis. Zu unserem großen Bedauern sagte er damals der Lindenstraße ????? (Lebewohl), um in Georgien humanitäre Hilfe zu leisten. Gastwirt blieb er auch weiterhin, nämlich im legendären Terzo Mondo. Seit Jahren hatte er seinen Fernsehsohn Vasily nicht gesehen, der in Wirklichkeit Hermes Hodolides heißt.

    Nun findet ja gerade die IFA statt, und ein paar Lindenstraße-Schauspieler geben täglich Autogramm-Stunden. Nicht zufällig trafen wir uns just an diesem Wochenende auch zum Berliner Lindenstraße-Stammtisch im Terzo Mondo. Am nächsten Tag würden wieder drei Schauspieler Interviews und Autogramme geben, nämlich Cosima Viola, Philipp Neubauer und - Hermes Hodolides! Beschwingt vom Ouzo beschlossen wir kurzerhand, Fernsehvater und –sohn wieder zusammenzuführen.

    Gesagt, getan. Für Sonntag um zwölf Uhr Mittag verabredeten wir uns mit Kostas und fuhren mit dem Taxi zum Messegelände. Wir nahmen ihn in unsere Mitte und marschierten zum Stand der ARD. Kostas, unvergessen, stand in der Menge der Wartenden und musste viele Autogramme geben. Wir überzeugten die Security, Kostas durch die Absperrung nach vorn zu lassen.

    Das war eine Überraschung, als sich Kostas und Hermes plötzlich gegenüberstanden! Die Schauspieler strahlten übers ganze Gesicht, und bei uns Fans flossen die Tränen. Kostas, auch "der Zeus vom Savignyplatz" genannt, durfte kurz zwischen den anderen Schauspielern Platz nehmen und thronte da auf dem Stuhl wie ein König - der König unserer Herzen!

    Danach saßen die beiden noch eine Weile beim Kaffee beisammen, den zwei freundliche Damen im Sixties-Look an einem Stand servierten, und hatten sich viel zu erzählen, wovon wir leider nix verstanden. Wir waren ohnehin damit beschäftigt, Autogrammjäger abzuhalten. Leider verkannte ich eine Mitarbeiterin der ARD und stauchte sie zusammen, aber sie nahm meine Entschuldigung an. Dann musste Hermes weg, weil seine Familie bereits wartete.

    Kostas hatte es nun auch eilig, an die frische Luft zu kommen, ich ebenfalls, weil unsere Lungen piepten. Also trat unser Grüppchen den Heimweg an. Kostas machte den zwei hübschen Hostessen am Ausgang noch ein paar Komplimente, und raus ging es in den Sonnenschein zum Rauchen. "Was für ein herrliches Wetter!", sagte ich. "Ja", sagte Kostas. "Das hat uns heute der liebe Gott geschickt!"

  • Thema von Seeräuber-Jenny im Forum Klassisch

    Es war einmal ein kleiner König,
    ihn dick zu nennen wär zu wenig.
    Er hatte sich höchstselbst gekrönt
    und seine Vita auch geschönt.

    Er tat mehr schlecht als recht regieren,
    ließ lieber sich zur Tafel führen.
    Wenn man ihm die Serviette band,
    gab's nirgends Wildschwein mehr im Land.

    Ließ sich im Königreich rumtragen,
    so konnt er alle überragen,
    auf einem großen blauen Schild.
    Fürwahr, ein imposantes Bild!

    Er trug von nem famosen Schneider
    von Hand gewebte neue Kleider
    aus Stoff, der ganz besonders war,
    hauchzart, vollkommen unsichtbar.

    Und seine Untertanen lachten,
    bis ihnen ihre Schwarten krachten.
    "Ha, dieser König is'n Witz,
    der Fettwanst mit nem Kopf voll Grütz!"

    Die Diener aber, die den König
    herumzutragen hatten ewig,
    die liefen sich die Beine ab,
    bis es am Ende keine gab.

    Mussten sich kriechend fortbewegen,
    das kam dem König auch gelegen.
    Nun krochen sie ihm hinten rein,
    das fand er ganz besonders fein.

  • Geeignetes VerkehrsmittelDatum21.01.2019 05:14
    Thema von Seeräuber-Jenny im Forum Klassisch

    "Warum ist es am Rhein so schön?"
    hör ich die Leute fragen.
    "Ich würd zur Not zu Fuß hingehn,
    so schön ist’s!" kann ich sagen.

    Zu teuer ist es mit der Bahn,
    fürs Auto muss man blechen.
    Der Flieger kommt viel schneller an,
    die Umwelt zahlt die Zeche.

    Das Tramperleben, das ist klar,
    doch stimmt mich das auch traurig,
    ist nicht mehr das, was es mal war,
    man steht die Füß in‘ Bauch sich.

    Mit Fahrgemeinschaft oder Bus,
    da könnte es wohl klappen,
    nach Köln zu reisen ohn Verdruss
    anstatt auf Schusters Rappen.

  • Neues aus der "Hauptstadt" (Realsatire)Datum14.01.2019 19:53
    Thema von Seeräuber-Jenny im Forum Satiren politisch, ges...

    Dialog mit einem Bediensteten der Deutschen Bahn (Reinigungskraft) in Bln Hbf:
    "Entschuldigung, wo ist denn hier eine Bahnhofskneipe?"
    "So wat such ick ooch schon lange. Aber wir sind hier in der Hauptstadt!
    So wat jibt es vielleicht noch in Hamburg, aber nich in der Hauptstadt!"
    "OK, danke. Tschüss!"
    "Hauptstadt!"

  • Doch wie’s da drin aussiehtDatum06.11.2018 14:05
    Thema von Seeräuber-Jenny im Forum Klassisch

    Er ist so lustig und so smart,
    sein Äußeres ist auch apart.
    Wie’s drin aussieht in diesem Mann
    geht aber keinen etwas an.

    Sein Herz ist manchmal kalt wie Schnee,
    auch tut ihm oft der Magen weh.
    Das Steuer auf dem morschen Schiff
    hat eisern sein Cousin im Griff.

    Es warnten Stimmen altbekannt,
    verstummt das Kind, das sich gebrannt.
    Es ist sein Leben, das ist wahr,
    dann kommt er auch alleine klar.

  • Annes MetamorphosenDatum31.10.2018 17:02
    Thema von Seeräuber-Jenny im Forum Klassisch

    Wer kennt denn schon die Namen all,
    kennt all die Menschen, die sie tragen.
    Ach, Namen sind nur Rauch und Schall,
    hör ich zu Unrecht Leute sagen.

    Beherzt auf Stöckelschuhen lief
    einst Bipontina über Brücken,
    sah, ob sie grad warn oder schief,
    sah Blumen sprießen aus den Lücken.

    Als Zwilling später zeigte sie
    den Foren ihre zwei Gesichter,
    als Mentor voller Empathie,
    als Spötter und gestrenger Richter.

    Die alte Leier stets von vorn,
    die spielte sie zum Wohl der Sprache.
    Manch blindes Huhn fand so ein Korn,
    doch stieß sie oft auf eine Brache.

    Die Lehren trugen einen Bart,
    so lang wie der von Barbarossa.
    Sie tat es auf die feine Art,
    falls ihr nicht zu sehr stank die Gosse.

    Das große Rom, es wurde nicht
    erbaut an einem einzgen Tage.
    Doch Romulus, der kleine Wicht,
    legte den Grundstein ohne Frage.

    Es ist ist ein unerhörtes Thing,
    dass sie die schnöde Welt verlassen.
    Wer nicht aus Liebe Feuer fing,
    der durfte sie zumindest hassen.

    Ja, Cyparissos/Cyparis
    samt all ihren Metamorphosen,
    die ehre ich und sage Tschüss.
    Macht euch jetzt nicht mehr in die Hosen...

  • SchnitterDatum28.10.2018 17:27
    Thema von Seeräuber-Jenny im Forum Klassisch

    Für Cyparis

    Liebes! Du bist nicht mehr hier.
    Ach, ich kann es noch nicht fassen,
    dass du plötzlich uns verlassen.
    Bliebe nur ein Teil von dir.

    Einsam ist’s im Wiesengrund
    ohne deine lieben Worte.
    Seh ich dich am andern Orte,
    wenn mir einmal schlägt die Stund?

    Hilflos ist der Mensch und klein,
    ohn Erbarmen ist der Schnitter,
    drischt er mit der Sense drein,

    klirrend wie ein Eisgewitter.
    Und so wird’s auf ewig sein,
    ja, ich weiß, und doch ist's bitter.

  • Ich liebe AndalusienDatum25.10.2018 22:48
    Thema von Seeräuber-Jenny im Forum Kurzgeschichten

    Ich liebe Andalusien! Vor allem das alte al-Andalus hat es mir angetan. Die riesige Moschee in Córdoba, mit ihren vielen Säulen aus Marmor, den kunstvoll geschnitzten Holzdecken, den bunten Fliesenornamenten. Córdoba, zur Zeit der Kalifen das Zentrum der Gelehrsamkeit in Europa, wo Menschen aller Religionen friedlich zusammenlebten - bis die katholische Isabella kam und allen Nicht-Christen den Garaus machte. Zugegeben, die gotischen Kirchen und barocken Kathedralen sind auch sehr schön anzusehen - abgesehen von einigen Gemälden, auf denen das Sünderblut nur so spritzt. Ich liebe die Städte mit ihren verwinkelten Gassen, mit ihren Basaren und Düften, mit Häusern und Höfen, über und über geschmückt mit Blumen. Und die Alhambra, die über Granada thront, mit ihren Brunnen und Gärten, inmitten grüner Hügel am Rand der Sierra Nevada. Die Strelizien, die Dattelpalmen und Orangenbäume, die seltene Igeltanne. Den Guadalquivir, an dessen grünen Ufern viele Vogelarten leben. Die Geburtsstätte des Flamenco, die Heimat von Seneca und Moses Maimonides, von Murillo und Pablo Picasso, von Federico García Lorca und Rafael Alberti. Ich liebe es, am Mittelmeer oder am Atlantik zu sein, wo frischer Fisch und alter Wein auf den Tisch kommen, denn in Andalusien dreht sich alles ums Essen und Trinken. Und ich liebe die leichte, fröhliche und temperamentvolle Art der Andalusier und Andalusierinnen. Wobei man nicht vergessen darf, dass Andalusien die ärmste spanische Provinz ist und als Agrarland auch sehr unter dem Klimawandel zu leiden hat.

  • GitanoDatum24.10.2018 14:01
    Thema von Seeräuber-Jenny im Forum Klassisch

    Die letzte Nacht in Málaga,
    ein blasser Mond, ein warmer Hauch.
    Bei weißem Wein, mit sattem Bauch
    saß ich herum vor einer Bar.

    Die Glocken von San Agustín
    verhallten in der Dunkelheit,
    und wie im Flug verging die Zeit,
    ich sollte schleunigst weiterziehn.

    Doch plötzlich griff das Schicksal ein,
    als du mit der Gitarre kamst
    und Platz zu meinen Füßen nahmst
    und spieltest nur für mich allein.

    Mit wirrem Haar und tiefem Blick
    aus Augen, schwarz wie jene Nacht,
    hast du mich fröhlich angelacht,
    und ach, ich lächelte zurück.

    Für den Moment nur ich und du
    vor einer Bar in Málaga.
    Ein Zauber war's, was da geschah.
    Du riefst mir noch "te quiero" zu.

  • Freunde zu BesuchDatum25.08.2018 21:12
    Thema von Seeräuber-Jenny im Forum Klassisch

    Meine Freunde, die sind toll,
    kommen hier zur Abendzeit
    gut gelaunt hereingeschneit,
    und kein Glas bleibt lange voll.

    Und kein Mund bleibt lange stumm.
    Nur wenns feine Speisen gibt,
    die der Freundesmagen liebt,
    lauscht man stumm dem Bassgebrumm.

    Blüten, Tütchen, Moscow Mule,
    Kerzenschimmer, Mondenschein,
    nichts fehlt uns zum Glücklichsein
    außer einem Swimming-Pool.

    Morgens, wenn die Amsel singt,
    noch ein letztes Glas im Stehn.
    Während sie nach Hause gehn,
    tanze ich ins Bett beschwingt.

  • Meinen KollegenDatum25.08.2018 21:10
    Thema von Seeräuber-Jenny im Forum Klassisch

    Nun endlich kam der große Tag,
    den ich voll Ungeduld erwartet,
    seit ich ins neue Jahr gestartet,
    da ich euch hab Adieu gesagt.

    Mir war schon flau, ich geb es zu,
    denn klar ist mir nicht erst seit heute,
    ich traf ein paar besondre Leute
    bevor ich mich gesetzt zur Ruh.

    Denk wohl noch oft an euch zurück.
    Zwar warn es keine leichten Zeiten,
    ich musst um meine Rechte streiten,
    doch fand ich Halt bei euch und Glück.

    Die Arbeit war nicht allzu viel.
    Doch was ich tat, hat mir gefallen.
    Schon bald vergessen warn die Qualen
    beim heimlichen Computerspiel.

    Oh ja, wir warn ein duftes Team,
    das Beste haben wir gegeben
    und auch ein Stück von unserm Leben
    für unser schönes Land Berlin.

    Ich sag mal Tschüss, und macht es gut,
    und kümmert euch um all die Viecher,
    die vierbeinig durchs Leben kriechen.
    Wünsche euch Spaß dabei und Mut!

  • AusblickDatum05.07.2018 22:41
    Thema von Seeräuber-Jenny im Forum Klassisch

    Zwar wird es knapp mit Netto-Rente,
    Konsumverzicht ist angesagt,
    doch sag ich Ente oder Trente
    und hab deshalb den Schritt gewagt.

    Die Freiheit ruft mit süßer Stimme,
    und damit schließt sich nun der Kreis.
    Frei wie ein Kind, das Haar im Winde,
    und welterfahren wie ein Greis,

    so will ich leben viele Jahre,
    die Wahrheit wählt ich statt der Pflicht.
    Dann hab ich noch mit weißen Haaren
    gewiss die Sonn stets im Gesicht.

  • Sommerliche TiergedichteDatum10.06.2018 23:09
    Thema von Seeräuber-Jenny im Forum Sommer

    Untergang

    Der Maulwurf, im erdschmutzigen Pelz
    häuft er unbehandschuht, unbesockt
    zu trübem Krähengekrächz unermüdlich
    Hügel an Hügel. Unbebrillt und unwissend
    wie er ist, geht ein zerknülltes Blatt Papier
    ungelesen, unbeachtet den Orkus hinab.

    O Unglückseliger, hätte dieses doch
    ein Jahrhundertwerk sein können!

    ***

    Mücken töten

    Eine riesengroße Schnake,
    die am Schreibtisch mich bedroht,
    bringt mich in bedrängte Lage,
    schlag doch keine Mücke tot.

    Schließlich machen meine Katzen
    den Garaus dem Wüterich,
    killen ihn mit ihren Tatzen.
    Mücken töten muss ich nich.

    ***

  • Moritat von der armen BeateDatum28.04.2018 01:08
    Thema von Seeräuber-Jenny im Forum Klassisch

    Beate war ein gutes Kind,
    wies deutsche Mädel eben sind.
    Die Mutter war ne schlimme Frau,
    von früh bis spät sternhagelblau,
    was, wie ihr sicher alle wisst,
    schlecht für die Kinderseele ist.

    Bis auf die liebe Omama
    war niemand für Beate da.
    Bis so ein komscher Vogel kam,
    sie unter seinen Fittich nahm.
    Ein zweiter kam alsbald hinzu,
    von da an warn sie eine Crew.

    Die Schweinepunks warn ihr ein Graus,
    da rutschte schon die Hand mal aus.
    Das asoziale Lumpenpack,
    am besten steckt mans in den Sack,
    ins Loch damit und Klappe zu,
    dann hat die liebe Seele Ruh.

    Ach, wär die Heimat nur befreit
    von Müßiggang und Fremdarbeit!
    Weshalb aus purem Edelmut
    man was Spektakuläres tut:
    Ein Strick mit Judenpuppe dran
    ziert kurz darauf die Autobahn.

    Als die Polente kam, verflucht,
    und die Garage hat durchsucht,
    gelang die Flucht. Oh, welch ein Glück.
    Den Sprengstoff ließen sie zurück.
    Ab jener schicksalsschweren Stund
    lebten die drei im Untergrund.

    Dort mussten sie nicht einsam sein,
    sie hatten schließlich Helferlein,
    die Karre, Knarre stets besorgt
    und ihre Ausweise verborgt.
    Gar lustig war das Spiel, und wie,
    noch schöner als Pogromoly:

    Kopfschüsse, dass es nur so spritzt,
    ne Nagelbombe, wie gewitzt.
    Beate leerte manches Glas,
    wenn sie derweil zu Hause saß.
    Denn es bereitete ihr Frust,
    dass sie von allem nichts gewusst.

    Sie hat es später erst gehört
    und war ganz fürchterlich empört.
    Doch ginge sie zur Polizei,
    die Vögel schlügen sie zu Brei.
    Denn diese Typen waren bös,
    da kocht sie ihnen lieber Klöß.

    Als dann die Übeltäter sich
    selbst richteten ganz jämmerlich,
    da steckte sie, wie euch bekannt,
    die Wohnung noch geschwind in Brand.
    Die alte Frau war ihr egal,
    denn sterben müssen alle mal.

    Ihr Kätzchen war in Sicherheit,
    sie hats bewahrt vor allem Leid.
    Noch schnell ein paar CDs verschickt,
    mit Paulchen Panther uns beglückt.
    Was zu bekennen lag ihr fern,
    Sie mochte einfach Comics gern.

    Nun schweigt sie eisern vor Gericht,
    wen wunderts, denn sie wars ja nicht.
    Schon immer war das liebe Kind
    naiv und stumm und taub und blind.
    Es warn die Vögel, die so mies,
    dass sie der Teufel brät am Spieß.

    Bald wird das Unschuldsengelein
    für immer hinter Gittern sein.
    Doch keine Zeit, um auszuruhn,
    sie muss dann braune Hilfe tun.
    Wann wird Tag X gekommen sein?
    Ich hoffe, an Sankt Nimmerlein!

  • SilvesterDatum01.01.2018 03:00
    Thema von Seeräuber-Jenny im Forum Kurzgeschichten

    Kein normaler Sonntag. Es ist Silvester 2017. Neues Jahr, neues Glück, so hoffen wir. Wie jedes Jahr. Auch wenn dem UNO-Generalsekretär nichts Gutes schwant.

    Persönlich war 2017 für mich ganz angenehm, politisch war es erschreckend. Der Präsidentendarsteller Trump, der wie ein Elefant durch den Porzellanladen trampelt, G-20-Gipfel und Menschenjagd, eine Schurkenpartei in unseren Parlamenten, im Nachbarland ein Kind an der kurzen Leine der Nazis.

    Aber nun erst mal genug Trübsal geblasen. Auf zu den Jungs, zur berüchtigten Absturztruppe, auf eine leckere Kartoffelsuppe, eine Flasche Sekt und zwei Tütchen. Wessen Smartphone macht die besten Fotos hoch überm Friedrichshain? Meins. Wer hat ein Herz aus purem Gold? Meine Freunde. Was war das schönste Geschenk heute? Eine von Phil genähte Umhängetasche aus dem Stoff, den ich aus Mitla mitgebracht habe. Darin fand ich die Zeitschrift "KreuzXQueer" mit einem Gedicht von mir und einer kleinen Biografie. Was bringt mir das neue Jahr? Das Tarot meint, dass die Zerrissenheit ein Ende hat, dass ich zu mir selbst finden werde und zu dir, mein Gott, zu dir.

    Gern wäre ich noch geblieben, doch nun rasch nach Hause, damit ich noch vor Mitternacht bei Katerchen und Brüderchen bin. Sie denken vielleicht, es wäre Krieg draußen. Überall Grüppchen von Pyromanen, die auf Sektflaschen prächtige Raketen hochsteigen lassen. An der Straßenecke zwei junge Männer. Ich habe Angst und traue mich nicht vorbei. Aber nicht, weil sie wie "Nordafrikaner" aussehen, sondern weil sie einen Böller anzünden, der sich zum Glück als Rohrkrepierer entpuppt. Am S-Bahnhof endlich ein freies Taxi. Der Fahrer findet es zynisch, dass wir so viel Geld in die Luft ballern, während anderswo so viele Menschen hungern.

    Gerade noch geschafft. Es ist Fünf vor Zwölf, hm. Schnell einen Piccolo aufgemacht, und Cheers! Katerchen und Brüderchen tragen das Ganze mit Fassung. Nur als ich die Balkontür öffne, um mir das Feuerwerk anzusehen, sind sie gleich verschwunden. Ebenso wie eine Krähe, die panisch über die Dächer davon flattert. Zugegeben, schön ist es schon, dieses Gewitter aus gleißenden Farben. Blütenzauber, Sternenregen und Kaskaden, die mit dem Fernsehturm um die Wette funkeln.

    Hoffentlich wird es uns gelingen, die bösen Geister zu vertreiben. Es ist Neujahr 2018. Neues Jahr, neues Glück, so hoffen wir.

  • Oh Weihnachtszeit, oh frohe ZeitDatum21.12.2017 01:24
    Thema von Seeräuber-Jenny im Forum Klassisch

    Oh Weihnachtszeit, oh frohe Zeit,
    als Christus kam zur Erde,
    auf dass es Frieden werde,
    ein Ende fände aller Streit.

    Oh Weihnachtszeit, oh frohe Zeit,
    im Stall ist er geboren,
    so arm und so verloren,
    sein Volk verfolgt für allezeit.

    Und Ochs und Esel, die gewacht
    in seinen ersten Stunden,
    wie werden sie geschunden,
    wie wird mit ihnen Geld gemacht.

    Die guten Hirten sterben aus,
    die Herde bleibt am Leben
    und folgt, so ist es eben,
    dem bösen Nachbarn in sein Haus.

    Oh Weihnachtszeit, oh frohe Zeit,
    so predigen die Pfaffen,
    doch stehen heute Waffen
    zum atomaren Schlag bereit.

    Oh Weihnachtszeit, oh frohe Zeit,
    es nahen die drei Weisen.
    Ich will mit ihnen reisen
    zu andern Sternen seinerzeit.

  • Vom UnmöglichenDatum22.11.2017 19:19
    Thema von Seeräuber-Jenny im Forum Klassisch

    Unmögliches braucht etwas Zeit,
    besiegt ist, wer nicht träumen kann,
    die Hand nicht regt, zum Tun bereit,
    sprach El Pepe, der weise Mann.

    Es herrschten große Dynastien
    in Städten voller Glanz und Pracht,
    doch mussten sie von dannen ziehn,
    ihr Reich versank in dunkler Nacht.

    Es blieben Masken aus Türkis,
    Ruinen, manches Scherbenstück,
    das viele Rätsel offen ließ,
    im Dschungelparadies zurück.

    Die Seelen all der vielen, die
    die Reiche schufen voller Pracht,
    ganz unten in der Hierarchie,
    sind nicht versunken in der Nacht.

    Die wirkten lange Zeit zuvor,
    die flüstern mit dem Abendwind
    den Kindern ihren Traum ins Ohr,
    und so verrinnt die Zeit geschwind.

  • Día de Muertos in OaxacaDatum19.11.2017 04:41
    Thema von Seeräuber-Jenny im Forum Klassisch

    Die Dorfjugend zieht zur Blasmusik
    an Halloween um die Häuser.
    Jungen mit Totenmasken,
    Gespenstermädchen im Tüllrock.

    Mit dem Mototaxi zum Friedhof,
    das rattert und rumpelt.
    Skelette aus Zuckerzeug
    klappern im Takt dazu.

    Blumen in sämtlichen Farben,
    auch in grellem Pink und unwirklichem Blau.
    Mosaike aus bunten Früchten,
    Totenbrot und Chapulines.

    Kinderlachen und Hundegebell.
    Eine Mariachikapelle jault.
    Komm, sexy Tänzer auf dem Grab,
    steig mit mir in die Gruft.

    Die Straßen voll aufgetakelter Skelette,
    makabre Graffiti an den Wänden,
    Hausaltäre in den Eingangshallen,
    gespenstische Tanztheater im Kiez.

    Ja, mit den Toten lässt es sich leben!
    Jedenfalls in Oaxaca,
    wo das Diesseits das Jenseits trifft
    auf der Fiesta am Tag der Toten.

  • UrlaubszeitDatum21.10.2017 23:48
    Thema von Seeräuber-Jenny im Forum Klassisch

    Wenn mein Frauchen Koffer packt,
    bin ich stinkesauer.
    Tagelang wird eingesackt,
    wohl für lange Dauer.

    Stellt mir noch mein Futter hin,
    ist bereits in Eile.
    Hat das Fernweh nur im Sinn,
    ich die Langeweile.

    So, nun hat sie sich verpisst,
    und ich leg mich schlafen.
    Hoffe, dass sie mich vermisst
    bei den Hochlandschafen.

    Abends schneit ein Onkel rein,
    öffnet eine Dose.
    Will zu ihm mal gnädig sein,
    trägt er auch ne Hose.

    Nach ner halben Ewigkeit
    hör ich ihre Schritte.
    Sitz schon zum Empfang bereit,
    so ist’s bei uns Sitte.

    Schnell vergessen ist die Pein,
    lange, wie ich hoffe.
    Frauchen freut sich auf ihr Heim,
    ich mich auf den Koffer.

  • FriedhofspicknickDatum26.07.2017 22:47
    Thema von Seeräuber-Jenny im Forum Klassisch

    Der Juli ist ins Land gekommen,
    und wir, wir ziehn zum Friedrichshain,
    zwar gut gelaunt, doch auch beklommen,
    denn Thomas wird heut bei uns sein.

    Am Friedhof lässt es sich gut feiern
    mit Bowle, Sekt und etwas Weed,
    mit Auberginen, Käse, Eiern.
    Die Amsel singt dazu ein Lied.

    Hier ruht er unter alten Bäumen,
    den Helden nah vom Friedrichshain.
    Hier kann er alle Tage träumen,
    und manchmal schneit ein Freund herein.

    Die gelbe Rose blüht noch immer.
    Das Grablicht strahlt nun wieder hell.
    Oranger Tüll mit goldnem Schimmer.
    Wir pflanzen noch was Grünes schnell.

    Da gießt es plötzlich wie aus Eimern,
    ein Blitz schlägt ein, der Donner kracht.
    Ach, wenn wir endlich schon daheim wärn!
    Hat da nicht Thomas grad gelacht?

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