Diese fürchterliche schwarze Hitze
Ein visuelles Weltraumgedicht: Der schwedische Film „Aniara“ haucht dem gleichnamigen Epos des Literaturnobelpreisträgers Harry Martinson ein völlig neues, hochpolitisches Bilderleben ein.
Die letzte Maschine lässt uns am Leben; menschliche Selbstbestrafungsphantasien kümmern sie nicht. Sie wird sich selbst zerstören; teils aus Mitleid mit uns, teils aus Scham darüber, dass sie sich in die Politik hat zerren lassen. Am Ende geht es dem sprechenden Affen wie am Anfang, lange vor der Technik: „Und wir sind wieder nackt und schwach und frieren.“ Der Satz und die Geschichte von der letzten Maschine stehen in einem langen Gedicht des schwedischen Literaturnobelpreisträgers Harry Martinson namens „Aniara“ aus dem Jahr 1956.
Das Gedicht haben Pella Kågerman und Hugo Lilja 2018 verfilmt. Ihr selbstbewusstes und eigenständiges, zugleich sinnsicher werktreues Kunststück lief hierzulande nicht im Kino, kann von diesem Donnerstag an aber als Stream, DVD und Bluray mit deutscher Tonspur erlebt werden. Die erste Einstellung des Films konzentriert seine Weltvision zum Lichtgleichnis: Ein glutweißer Punkt wandert durch totales Dunkel und verpasst die Chance, überm „I“ im Schriftzug „ANIARA“ zur Ruhe zu kommen. Später wird eine Astronomin ein Bläschen in hartem Glas zur Demonstration kosmischer Größenverhältnisse nutzen: Egal, wie schnell wir reisen, gemessen am Riesenraum stehen wir still.
Auf der Erde wüten derweil Fluten, die Häuser wegreißen; es geht ein Wind, der Bauten umwirft; Feuer kocht. Deshalb zieht ein Weltraumaufzug Menschen an einem Kabel aus den Gewittern zum Raumschiff Aniara, mit dem sie fliehen wollen. Viele Gesichter der aneinander Gedrängten sind verbrannt; die Welt, die sie verlassen, ist ätzend. Einige haben blaue Flecken und Blutergüsse, „Erde“ scheint ein Wort für „häusliche Gewalt“. Die Aniara kreuzt den Bildraum als Balken; kein Star-Wars-Designer würde eine so grobe Containerstadt erfinden, aber die Augen glauben gleich an ihre Wirklichkeit. Innen sieht es aus wie in einer Rehaklinik oder in einem Einkaufszentrum. Eine Frau verlangt beim Andocken, dass man sie durchlassen soll; sie sagt, sie arbeite hier. Es ist die Schauspielerin Emelie Garbers, die mit nüchterner Würde die „Mimaroben“ (auch: „MR“) spielt, auf Posten an einer Maschine namens „Mima“, wo ein Rechner Menschen in die Köpfe greifen kann und dann Erinnerungen, Sehnsüchte, Hoffnungen sowohl weckt wie steuert.
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