Die Corona-Festspiele der Lobbyisten
Im Kampf gegen die Krise sind die Regierungen spendabel. Wirtschaftsverbände und Unternehmen nutzen die Gunst der Stunde aus.
Die EU-Kommissare in Brüssel sind einiges an Dreistigkeit gewohnt, wenn es um Forderungen von Lobbyisten geht. Doch neulich platzte Kommissionsvize Frans Timmermans der Kragen. Anlass war ein Vorstoß des Dachverbands europäischer Kunststoffverarbeiter (EuPC).
Der Branchenverband hatte gefordert, die geplante EU-Richtlinie zum Verbot von Einwegplastik um mindestens ein Jahr zu verschieben. Im Kampf gegen das Coronavirus habe sich der Kunststoff als unersetzlicher Bestandteil von medizinischen Geräten und Schutzausrüstung erwiesen.
Timmermans schäumte. Die Pandemie, wetterte der Niederländer, werde als Vorwand genutzt, um Regeln zurückzuschrauben, die die Müllberge aus Plastikbesteck und Trinkhalmen abtragen sollen. Das Ansinnen der Plastiklobby, die zum Teil dramatische Situation in den Krankenhäusern mit der geplanten Abschaffung von Einwegplastik zu verknüpfen, sei schlicht "Unsinn".
Ein Einzelfall ist das nicht. Im Windschatten von Corona brüten Industrievertreter immer neue Ideen aus, um die Spendierfreude der Politik auszunutzen. Nach dem Motto "Wenn nicht jetzt, wann dann" bombardieren Wirtschaftsverbände und Unternehmen die Regierungen fast täglich mit Vorschlägen – direkte staatliche Transfers, Prämien, Deregulierung. Die Forderung der Autoindustrie nach einer Neuauflage der Abwrackprämie ist da nur das prominenteste Beispiel.
https://www.spiegel.de/wirtschaft/untern...00-000170816311
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