"Der steinerne Engel" von Margaret Laurence
Das Unglück des gesellschaftlichen Aufstiegs
In Kanada ist Margaret Laurences 1964 erschienener Roman "Der steinerne Engel" über eine scharfsinnige 90-Jährige ein Klassiker. Die Neuübersetzung zeigt jetzt: Er ist keinen Tag gealtert.
Wer von den großen Städten des kanadischen Ostens aufbricht, um auf dem Landweg nach Westen zu reisen, den Trecks der Siedler hinterher, braucht auch heute noch mehrere Tage, um das große Grasland zu erreichen. Erst werden die Bäume kleiner und stehen spärlicher, dann bleiben nur noch Inseln aus Zitterpappeln übrig, schließlich weitet sich das offene Land ins scheinbar Unendliche.
In dieser Zone des Übergangs liegt angeblich eine Kleinstadt namens Manawaka. Und auf dem Friedhof dieses Gemeinwesens, auf einer Kuppe oberhalb der Stadt, soll ein großer Engel aus weißem italienischem Marmor gestanden haben, als Zeichen nicht nur der Trauer oder des Versprechens auf ein ewiges Leben, sondern auch der Verbundenheit mit einer älteren, europäischen Kultur.
"Heute glaube ich", sagt die Erzählerin in einem Roman, der nach dieser Skulptur heißt, "dass er dort in jener fernen Sonne von Steinmetzen gemeißelt wurde, die Berninis zynische Nachfolger waren, erstaunlich genau die Bedürfnisse frischgebackener Tyrannen in einem wilden Land erkannten und Engel wie ihn in rauen Mengen fabrizierten." Begraben unter diesem Engel ist die Mutter der Erzählerin.
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https://www.sueddeutsche.de/kultur/marga...derne-1.5120121
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