Die große Margaret Atwood: "Briefe an mein jüngeres Ich"
Die kanadische Bestsellerautorin schreibt über ihre Anfänge und gibt ihrem 16-jährigen Ich ein paar gute Tipps für die Zukunft. Ein Vorbote zur Frankfurter Buchmesse, die sich von 20. bis 24. Oktober auch mit kanadischer Literatur beschäftigen wird
Sechzehn war ich im Jahr 1955, und ich lebte in Kanada. Es war die Zeit von Elvis Presley, von Rock ’n’ Roll, von Tellerröcken und Penny Loafers und förmlichen Schulbällen mit schulterfreien Kleidern – obwohl ich nie so weit gegangen bin.
Es mag Sie überraschen, aber in der zwölften Klasse ging ich zusammen mit meiner Kameradin Sally für unsere Schule beim Wettbewerb "Consumers Gas Miss Homemakers" ins Rennen. Wir mussten in einem Gasofen gebackene Kartoffeln zubereiten und ein Hemd mit einem Gasbügeleisen bügeln. Wir belegten zwar nicht den ersten Platz, aber wir bekamen äußerst hübsche Bettelarmbänder geschenkt.
Eines würde ich meinem jüngeren Ich auf jeden Fall raten, nämlich einen Kurs in Sekretariatswesen zu belegen, um das Schreiben nach dem Zehnfingersystem zu lernen. Mit der Maschine schreiben kann ich bis heute nicht. Bei der Berufsberatung gab es eine kurze Liste mit Berufsmöglichkeiten für Mädchen – Grundschullehrerin, Krankenschwester, Flugbegleiterin und Hauswirtschafterin, was in Richtung Ernährungsberaterin oder Schneiderin ging.
Nichts davon interessierte mich, doch da ich ein geldhungriges Kind war, schaute ich mir die Löhne an und sah, dass die Hauswirtschafterinnen am meisten verdienten. Ich belegte also diese Kurse und lernte, einen Reißverschluss anzunähen – aber nicht das Schreibmaschinenschreiben.
Ich würde der sechzehnjährigen Margaret sagen, sie solle aufhören, sich um ihr Haar zu sorgen: "Es ist, was es ist, und du kannst nichts dagegen tun, also vergiss es einfach." Im echten Leben bin ich zu dieser Akzeptanz erst mit ungefähr dreißig gelangt, nach einigen unglücklichen Experimenten.
Als Jugendliche habe ich sehr viel gelesen, hatte aber auch diverse andere Beschäftigungen. Ich habe mir Kleider genäht und in der Schule ein Puppentheater veranstaltet. Wir bauten die Puppen und die Bühne selbst und sprachen sämtliche Stimmen. Da ich über einen großen Unternehmergeist verfüge, habe ich damit auch Geld verdient.
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https://www.derstandard.at/story/2000130...n-juengeres-ich
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