Claire Fuller „Unsere unendlichen Tage“
Claire Fullers „Unsere unendlichen Tage“ erzählt von einem Mädchen und seinem Prepper-Vater.
Peggys Vater ist Mitglied der „North London Retreaters“. Es ist das Jahr 1976 und haarige, ernst dreinblickende Männer treffen sich regelmäßig bei James Hillcoat, weil sie die „verdammte Apokalypse“ erwarten: „den Russen“ und seine Atombomben, verseuchtes Grundwasser, womöglich auch marodierende Horden nach einer Weltwirtschaftskrise. Peggys Vater schreibt Listen, legt im Keller Vorräte an. Er zeltet mit seiner Tochter und zeigt ihr, wie man Eichhörnchen in Schlingen fängt und zubereitet, wie man Brennesseln trocknet und zu einem dünnen Seil dreht. Er drillt die Achtjährige wie beim Militär. Auf das Signal seiner Trillerpfeife hin muss sie in Minutenschnelle einen Rucksack packen und in den Keller rennen. Peggys Mutter Ute, eine deutsche Konzertpianistin und acht Jahre älter als ihr Mann, ignoriert James’ Seltsamkeiten, zuckt bloß die Schultern, geht auf wochenlange Konzertreisen.
Die 1967 in Oxfordshire geborene Claire Fuller legt in ihrem 2015 erschienenen Debütroman „Unsere unendlichen Tage“ einen Teil ihrer Karten sofort auf den Tisch – umso gespannter erwartet man das Aufdecken der anderen: Denn es spricht zuallererst die 17-jährige Peggy, 1985 ist sie wieder zu Hause in London bei ihrer Mutter – nach neun Jahren Abwesenheit. Auf einem alten Foto, findet sie, sieht ihr Vater so unschuldig aus, „dass er einfach schuldig gewesen sein muss“.
Schuldig welcher Dinge? Der Entführung seiner Tochter jedenfalls, wenn auch nicht mit Gewalt. Mit dem Versprechen ganz besonderer Ferien nimmt er sie mit nach Deutschland (es scheint sich um den Bayerischen Wald zu handeln), wandert mit ihr zu einer verfallenen, wohl seit Jahren unbewohnten Hütte jenseits eines Flusses, tief in der Einsamkeit. „Ich will nach Hause, Papa“, quengelt sie bald. Er sagt dem Kind, schwört sogar, die Mutter sei tot und die Welt untergegangen, außer ihr Tal und sie beide. Und sowieso sollten sie nicht nach den Regeln anderer leben, mit „einer Zeit zum Aufstehen, zum Kirchgang, für die Arbeit.“ Peggy kann sich nicht erinnern, „dass mein Vater jemals zur Kirche gegangen war. Oder zur Arbeit.“ Sie muss sich fügen, sie ist ein Kind. Immerhin bastelt er ihr ein „schönes, stilles Klavier“, mit Kieseln beschwerte Holztasten. Die Töne muss sie singen. Manchmal singen sie zu zweit.
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https://www.fr.de/kultur/literatur/clair...n-91035922.html
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