Bei den Freiheitseinschränkungen geht die Regierung mutig voraus
Nicht nur viele EU-Staaten sind beim Impfen gegen Corona sehr viel besser organisiert als Deutschland. Um davon abzulenken, werden die Erfolge der anderen kleingeredet und deren „Impfnationalismus“ kritisiert. Eine andere Reaktion wäre angebracht.
Am Freitagmorgen veröffentlichte das Redaktionsnetzwerk Deutschland ein Zitat des Chefs des Weltärztebundes, Ulrich Montgomery: „Wenn der Impfstoff auf kontinentaleuropäischem Boden produziert wird, muss man dem Unternehmen verbieten, ihn außerhalb der EU auszuliefern.“ Das war um 7:33 Uhr.
Um 8:21 war der deutsche Radiologe bei NDR Info auf Sendung: „Wir sollten jetzt nicht in einen Impfnationalismus verfallen, wie es die Engländer leider tun“, verkündete er dort. Das Problem in Deutschland liege „vor allem in der Kommunikation“ und darin, „dass wir in Deutschland einen heraufziehenden Wahlkampf haben“.
Es war die zeitlich komprimierteste Variante dessen, was sich in Bundespolitik und EU-Kommission seit Tagen abspielt: durchaus radikale Maßnahmen gegen erfolgreichere Länder fordern, das Komplettversagen im eigenen Land mit offensichtlicher Augenwischerei kleinreden und gleichzeitig stolz darauf hinweisen, dass man selbst eben kein „Impfstoffnationalist“ sei. (Was im Übrigen eine Verharmlosung des Begriffs „Nationalist“ bedeutet.)
Dabei sind nicht nur die Briten, die Amerikaner, die Israelis, die Serben schneller und besser beim Impfen, sondern auch die EU-Länder Dänemark, Slowenien, Litauen, Spanien und Italien. Sind das alles „Impfnationalisten“?
Weiterlesen:
https://www.welt.de/debatte/kommentare/a...nder-klein.html
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Es fällt mir gerade beim stellvertretenden Chefredakteur der hart konservativen WELT schwer zuzugeben, aber der Mann hat einfach 100% recht. Deutschland hatte neun Monate Zeit zur Vorbereitung und Organisation der Impfungen und erweist sich jetzt als ganz schlecht organisiert und im “Impfnationalismus” als einer der Spitzenreiter. Was nicht erwähnt wird und trotzdem wahr ist: im Jahr 2020 hat man (zu Recht) auf die katastrophal schlimmen Todeszahlen in den USA hingewiesen – der unfähige Populist Trump halt -, aber seit Dezember 2020 ist die Anzahl der “an und mit Corona Gestorbenen” in Deutschland (relativ zur Bevölkerungszahl) genauso hoch, dies- und jenseits des Atlantiks gleichermaßen schlecht. Leider buchstabiert die WELT die “Konsequenzen aus dem eigenen Versagen” für Bundeskanzlerin und Bundesgesundheitsmininister nicht aus; ein sofortiger Rücktritt wäre meiner Meinung angemessen, in beiden Fällen viele Jahre zu spät, aber ein Eingeständnis der vielen eigenen Fehler und Fehleinschätzungen, ein Verzicht auf “Impfnationalismus” und finger pointing, ein drastische Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Pflege und Krankenhäusern, eine Konzentration auf eine bessere Corona-Politik und die deutlich bessere Organisation der Impfungen wären schon Riesenfortschritte. Nur leider von dieser Kanzlerin und diesem Bundesgesundheitsmininister absolut nicht zu erwarten. Da wird dann mit der neoliberalen Ideologie im Hinterkopf munter weiter dilettiert.
Reset the World!
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