Interne Unterlagen: Darum darf ungesundes Essen auch weiterhin für Kinder beworben werden
Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes – um die Folgen ungesunder Ernährung zu bekämpfen werden seit Jahren Rufe laut, Werbung für ungesunde Lebensmittel zu verbieten, die sich gezielt an Kinder richtet. Die zuständige Ministerin Julia Klöckner reagierte mit einer neuen, freiwilligen Selbstbeschränkung für die Werbebranche. Interne Unterlagen aus ihrem Ministerium zeigen nun: ihr eigenes Ministerium hat offenbar Zweifel daran, dass das etwas bringt.
von Martin Rücker
Vor wenigen Wochen freuten sich Bundesernährungsministerin Julia Klöckner und die Werbewirtschaft gemeinsam: „Die Werbewirtschaft übernimmt Verantwortung“, jubelte der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW). Eine „schärfere Regulierung für an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung“ verkündete gleichzeitig Bundesernährungsministerin Julia Klöckner. Doch der Jubel täuscht: Ungesunde Lebensmittel gezielt an Kinder zu vermarkten ist weiterhin erlaubt.
Der Grund sind monatelange, mühsame Verhandlungen zwischen Klöckners Ministerium und der Werbewirtschaft. Wie die abliefen, zeigen nun erstmals bisher unveröffentlichte Dokumente aus dem Ministerium, die Ippen Investigativ – dem Rechercheteam der Verlagsgruppe Ippen, zu der auch unsere Redaktion gehört – exklusiv vorliegen: E-Mails, Gesprächsprotokolle, interne Vermerke – insgesamt 79 Seiten, übermittelt vom Ministerium auf einen Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Die Unterlagen zeigen:
Klöckners Ministerium erkennt die Probleme und die Verursacher: Aber eine ernsthafte gesetzliche Regelung stand nie zur Debatte.
Dem Kompromiss ging ein zähes Geschacher voraus, in dem sich die Branche mal kooperativ zeigte, mal versuchte, Klöckner zu drohen.
Die Ministerin bluffte erst und schob die EU vor. Ihre Beamten nannten einige der ganz großen Namen als abschreckende Beispiele: Nimm2, Milka, Kellogg’s und Ferrero.
Zwischenzeitlich dachte man im Ministerium, der öffentlich-rechtliche Rundfunk wäre ein „Blockierer“ härterer Werbebeschränkungen.
Am Ende der Verhandlungen steht ein Kompromiss, den Julia Klöckner zwar öffentlich lobt, an dessen Wirksamkeit ihr Ministerium aber offenbar selbst nicht so recht glaubt.
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