Ariane Kochs Roman "Die Aufdrängung"
Tritt ein, Feind
"Mein Haus ist dein Haus" ist leicht gesagt. Was aber, wenn das jemand mal wirklich wörtlich nimmt? Über Ariane Kochs famosen Roman "Die Aufdrängung".
Antje Rávic Strubel ist eine besonnene Schriftstellerin, zur Galionsfigur der politischen Literatur taugt sie nicht. Doch auch sie sprach, als sie im Oktober den Deutschen Buchpreis erhielt, in ihrer Dankesrede plötzlich von "Krieg der Benennungen und Bezeichnungen". Wer schon mal einen echten Krieg erlebt hat, dem dürfte diese rhetorische Aufrüstung nicht behagen. Aber sie ist nicht untypisch für das aktuelle Literaturgeschehen. Sei es bei Fragen zur hohen Kunst der Übersetzung oder beim schlecht gelaunten Dissens über die gendersensible - oder, je nach Standpunkt, "genderwahnsinnige" - Sprache, immer geht es metaphorisch schwerbewaffnet zu. Von Sprachverhunzung und Sprachvergewaltigung ist die Rede. Auf leisen Füßen hat sich die falsche Gewissheit eingeschlichen, man müsse sich zwischen den Fronten entscheiden, sich also entweder auf die Seite der politischen oder auf die Seite der wahren, ästhetisch ambitionierten Literatur schlagen.
Aber was ist eigentlich aus der guten alten Überzeugung geworden, dass Literatur nicht Opfer ist, sondern die Überwindung bedeutet von populistischen Zuspitzungen von Gut und Böse, richtig und falsch, fremd und eigen? Literarische Texte haben kein Bewusstsein, schon gar kein politisches. Was sie aber tun können, ist, mit Mitteln der Andeutung und Übertragung, die Ahnung einer herrschenden Struktur und Möglichkeiten ihrer Veränderung zu erzeugen.
Der Gast ist so eine Figur, an der sich einiges lernen lässt. "Mein Haus ist dein Haus", heißt es etwa auf Arabisch, wenn man ihn willkommen heißen will. Was aber, wenn das einer mal wörtlich nimmt und sich nicht nur das Haus, sondern auch alle Möbel, die Kleidung und zuletzt noch die vertrocknete Tomate im Kühlschrank unter den Nagel reißt? Wie sich das anfühlen könnte, wenn ein Fremder kommt, um zu bleiben, ist auch das Thema des Debütromans von Ariane Koch. Sein Titel, "Die Aufdrängung", ist etwas irreführend, denn die Beziehung zwischen Gast und Gastgeber ist wechselseitig manipulativ.
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