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Philipp Schönthaler: „Der Weg aller Wellen“

#1 von Sirius , 17.01.2022 17:13

Ewiger Computerstaat
Philipp Schönthalers Roman „Der Weg aller Wellen“ führt in eine Apokalypse ohne Ende

Dieser Roman ist für Leser, die wirklich nicht wissen, ob die „Apokalypse“, die viele meinen, wenn sie vom Zustand der Erde sprechen, so nahe ist, wie es bis in die Kindsköpfe hinein hin Endzeitschleife verbreitet wird. Umgekehrt leben natürlich erstaunlich viele Menschen weiterhin ziemlich sorglos, so „als gäb’s kein Morgen mehr“, und leben also maximal in den Tag hinein. Auch das kann einem surreal erscheinen, befremdlich. Und hier nun ist es interessant, den Blick ein paar Eskalationsstufen weiter nach unten zu richten, so wie in Philipp Schönthalers Der Weg aller Wellen.
„Ich spürte einen Spannungsabfall, den Ausstoß von Dopamin, als wäre ich von irgendwoher auf archaische Weise in meinem Sein bestätigt worden.“ Solche subtilen Beobachtungen findet man im Weg aller Wellen ganz nebenbei, der Ich-Erzähler passiert gerade die Sicherheitsschleuse an einem Flughafen. Doppeldeutig geht es weiter: „Unmenschliche Uhrzeit, was?“, fragt ihn eine Arbeitskollegin, die er zufällig frühmorgens am Gate trifft.

Philipp Schönthaler erzählt aus einer Welt, die gerade nicht mit einem letzten Urknall untergegangen ist und uns alle verschluckt hat, sondern in der es weitergeht, immer weitergeht. So nach dem Motto, der Mensch gewöhnt sich an alles, auch an das, was gestern noch krass dystopisch schien. Warum also nicht an die „Working Homeless“ gewöhnen, an Leute, die kein Zuhause haben, aber zur Arbeit gehen – oder daran, dass wir uns bald per Vene identifizieren? Diese „Handvenenerkennung“ kann Schönthaler so plausibel erklären, als wäre sie schon Realität.

Der Ich-Erzähler arbeitet in einem fiktiven Silicon Valley an einer fiktiven Küste, die diffus abgeschirmt ist vom Rest der Welt. Alles wirkt zukunftsgerichtet und normal – solange man Teil der Normalität ist. Der „Deutsche“ arbeitet in der Abteilung Ad&Sales, ein selbstoptimierter Typ, wie wir ihn kennen und uns wiedererkennen. Er lebt auf der „sunny side of life“, scheint es, bis die Technik eines Tages bei der Identifizierung streikt. Man verwehrt ihm den Zutritt zum Konzern, bald zu seinem Apartment, es wird immer absurder, bis er verschwindet – in der Peripherie, in der Welt da draußen, die zurückgeworfen wirkt in eine analoge Zeit. Und der Leser weiß da nicht genau, ob die Wüste, die ihn dort erwartet, nicht doch die Erlösung ist.

Was „weiß“ man überhaupt? Realität ist im Roman definitiv die allumfassende digitale Kontrolle. Schönthaler erfindet nun aber keine sinistren Gestalten in dunklen Schaltzentralen, der Ich-Erzähler nimmt die Kontrolle „freiwillig“ in Kauf, hat gelernt, sich so zu verhalten, dass es im Internet keinen Interpretationsspielraum hinterlässt. Gelernt, strategisch vorzugehen. So überlegt er einmal, was ihn mehr verdächtig macht: über die Demo recherchieren, in die er geraten ist, oder den Vorfall zu ignorieren.

Weiterlesen:

https://www.freitag.de/autoren/katharina...r-computerstaat


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Sirius
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