Philipp Weiss: Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen
Ein bebendes Buch
Der junge Wiener Philipp Weiss hat mit seinem Debüt alle Dimensionen gesprengt
Philipp Weiss’ Debüt Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen hatte für Raunen im Literaturbetrieb gesorgt. Daran haben neben Ehrungen wie dem renommierten Jürgen-Ponto-Preis sicher auch der gewaltige Umfang und das sehr eigensinnige Konzept Anteil: fünf Bände, über tausend Seiten, keine festgelegte Reihenfolge, nur mehr oder minder leichte Zugänge (zu einzelnen Teilen). Es geht wohl darum, die Menschheit und die Welt als Ganzes zu begreifen, begreift man beim Lesen, einer Welt, in der jeder für sich herumirrt, auf der Suche nach Ordnung, Sinn, Schönheit. Man kann parallel mal hier, mal da lesen und ähnlich durch die Seiten mäandern, wie die Figuren es tun.
„Die Landschaft verändert sich durch den Wanderer. Das Buch verändert sich durch den Leser“, heißt es einmal. Zur Programmatik gehört auch das Spiel mit Autorschaft, nur auf dem Schuber findet sich Weiss’ Name. Die fünf Bände sind mit den Namen der Figuren versehen, die darin als Ich-Erzähler, als ihre eigenen Biografen auftreten. Sie alle haben spezifische Stimmen, erzählen auf ihre Weise. Das ist nicht bloß Stilübung, vielmehr verweist der Mosaik-Charakter dieser Prosa darauf, worum es inhaltlich geht: um eine fragmentierte Welt.
„Terrain vague“, so heißt einer der Bände. Das könnte auch sinnbildlich für den ganzen Romankomplex stehen. Autor, Leser, Buch – Der 1982 in Wien geborene Weiss rückt von etablierten Kategorien ab, er beobachtet diese seltsame Welt mit Interesse und auch mit Befremden. Dabei greift er auf einen bunten Fundus an Referenzen zurück. Da wird Hamlet oder Frankenstein zitiert, auf Edgar Allan Poe, Walter Benjamin und Pokémon verwiesen. Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen ist keinesfalls im Vakuum entstanden, sondern ganz bewusst ein Erzeugnis der Literatur und der Ideengeschichte der letzten Jahrhunderte.
Geografische und historische Fixpunkte sind etwa das Frankreich zur Zeit der Pariser Kommune und das von den Ereignissen in Fukushima zerrüttete Japan. Abra Aoki ist eine Japanerin, der ein Arm und ein Bein amputiert wurden. Ihre Geschichte wurde von der Illustratorin Raffaela Schöbitz als Graphic Novel umgesetzt. Lose werden darin Mensch-Maschine-Diskurse aufgegriffen, die man aus Cyborg-Mangas wie Ghost in the Shell zu kennen glaubt, es tauchen Automatenpuppen auf und ein mechanisches Herz. Die einsame Abra imaginiert ein Theater, in dem der Puppenspieler wiederum eine Puppe ist.
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