Wir altern
Wie wir altern! Ob wir uns auch sträuben,
dieses Bröckeln im Geblüt zu hören, -
jede Stunde muß uns mehr zerstören.
Dieses Wissen kann kein Werk betäuben.
Wenn wir uns im Spiegel noch belügen -
plötzlich läßt das Bild des Photographen
unsern Argwohn nicht mehr ruhig schlafen,
Todeszeichen drohn aus müden Zügen.
Ängstlich sehn wir unsren ungestalten
Wanst wie einen Aschenhang zerfallen.
Feindlich greifen mit den scharfen Krallen
die Gespenster aus den Vorhangfalten.
Doch wir haben niemals Mut und Waffen,
gegen ihre Mordlust uns zu wehren.
Kein Erwachen hilft: Vermehrt nur kehren
bald sie wieder, ganz uns hinzuraffen.
Morgen wird das nur gespielte Sterben,
das wir mit Genuß im Kino sahen,
sich dem eignen Herzen häßlich nahen,
schlägt ein Nachtmahr unsre Welt in Scherben.
Sommerwiese noch mit Duft und Faltern
zeigte dem, der wahr sieht, das Verwesen.
Nur zu spätrem Tod bist du genesen,
und wir atmen heißt: wir altern!
Max Herrmann-Neiße
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