ERWERBSLOSE
Hartz IV heißt hungern
Bundesarbeitsminister präsentiert vage Pläne für geplantes Bürgergeld. Koalitionspartner für harte Sanktionen und gegen Regelsatzerhöhung
Hubertus Heil bleibt hart. Der Bundesarbeitsminister lässt die Ärmsten in der Gesellschaft im Stich. Statt auf die Rekordinflation mit deutlichen Steigerungen der ALG-II-Regelsätze zu reagieren, hat die Regierung für Erwerbslose nur warme Worte übrig.
Am Mittwoch stellte Heil die Eckpunkte für das »Bürgergeld« vor, das das bisherige Hartz-IV-System ablösen soll. Fest steht: Mehr Geld gibt es frühestens im nächsten Jahr, und festlegen, wie hoch die Sozialhilfe ausfallen wird, wollte sich Heil auch nicht. Im Mai hatte der Minister eine Anhebung der monatlichen Zahlungen im Bürgergeld um 40 bis 50 Euro in Aussicht gestellt, zuletzt aber nur noch von einer »deutlichen Erhöhung« gesprochen.
Sozialverbände fordern hingegen Hilfen, die den Namen verdienen. Der Regelsatz müsse aktuell bei mindestens 678 Euro liegen, um das soziokulturelle Existenzminimum abzusichern, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Mittwochausgaben). »Es reicht nicht aus, Hartz IV in Bürgergeld umzubenennen. Was es braucht, ist eine Totalreform zur Überwindung von Hartz IV«, so Schneider. Für ein armutsfestes Bürgergeld müsse die Grundsicherung um mindestens 50 Prozent angehoben werden. Des weiteren sei dringend ein Anpassungsmechanismus nötig, der vor realen Kaufkraftverlusten schütze. Bloße Einmalzahlungen verpufften angesichts der Inflation, bevor sie ausgezahlt seien. Die Vizepräsidentin des Sozialverbands Deutschland, Ursula Engelen-Kefer, forderte, die Regelsätze umgehend um 100 Euro zu erhöhen, mit dem Ziel, nach einer Neuberechnung dauerhaft noch höhere Regelsätze möglich zu machen. Heils angekündigte Erhöhung von bis zu 50 Euro sei »keinesfalls ausreichend, um das Existenzminimum zu sichern, wie es vom Bundesverfassungsgericht gefordert wird«, sagte Engelen-Kefer der Mediengruppe Bayern. Karlsruhe hatte 2010 festgestellt, dass »der Gesetzgeber (…) Vorkehrungen zu treffen (habe), auf Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel Preissteigerungen oder Erhöhungen von Verbrauchssteuern, zeitnah zu reagieren, um zu jeder Zeit die Erfüllung des aktuellen Bedarfs sicherzustellen«.
Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag nur auf geringfügige Lockerungen der Armutsgesetze verständigt. So sollen in den ersten beiden Jahren des Bürgergeldbezuges Leistungen gewährt werden, wenn kein »erhebliches Vermögen« von mehr als 60.000 Euro pro Leistungsberechtigtem besteht. Zudem werden in dem Zeitraum die Kosten für die Wohnung in tatsächlicher Höhe übernommen. Bisher wird geprüft, ob die Größe der Wohnung angemessen ist. Finanzielle Strafen soll es zumindest anfangs nicht geben: In einer sechsmonatigen Vertrauenszeit sollen Leistungsminderungen bei Pflichtverletzungen ausgeschlossen sein.
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