PFLEGE
Ausbeutung rund um die Uhr
24-Stunden-Pflege durch eine Person ist rechtlich ausgeschlossen, und doch ist eine halbe Million Frauen in der BRD betroffen
Jeder weiß, wie es oft genug läuft in der 24-Stunden-Pflege. Osteuropäerinnen müssen sich in den heiligen vier Wänden gebrechlicher und verwirrter Deutscher nächtelang von diesen beschimpfen lassen: »Was ist denn das schon wieder für eine Sauerei!«, und wieder stehst du im Bett in dem Zimmerchen, das dein Rückzugsort sein soll. Tagsüber sind ständige Belehrungen über das richtige Kochen und Putzen zu »beherzigen«, erst recht, wenn sie von Angehörigen der Betreuten kommen, die sich als Arbeitgeber aufspielen und im nächsten Moment wieder auf Familie machen.
Drei Monate lang sind die Arbeitsmigrantinnen in der häuslichen Pflege in Dauerbereitschaft, immer auf Abruf, rund um die Uhr, einzig beim Einkaufen vielleicht mal ein paar Minuten frei – ihr Monatslohn liegt um die 1.500 Euro, pro Stunde erhalten sie zwei Euro und ein paar Zerquetschte.
Vorderhand sind die Beschäftigungsverhältnisse illegal. Die zulässige Höchstarbeitszeit liegt hierzulande bei zehn Stunden pro Tag, und Bereitschaftsdienst ist reguläre Arbeitszeit (auch, wenn der Arbeiter schläft). Damit scheint eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch eine Person ausgeschlossen. Und doch wird eine halbe Million Frauen auf diese Weise ausgebeutet, die seriösen Schätzungen schwanken schon lange zwischen 300.000 und 700.000.
Rekrutiert werden sie von Vermittlungsagenturen, die überwiegend in Polen sitzen. »Legale Anstellung, bis zu 1.800 Euro«, ist deren Versprechen in Foren auf Facebook oder Viber. In Bulgarisch, Rumänisch oder Ukrainisch. Viel Geld für viele Bewerberinnen, etwa um ihren kleinen Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen.
Was sie bei der Agentur unterschreiben, sind Knebelverträge, abenteuerliche Konstruktionen, die jederzeit an aktuelle Rechtslagen angepasst werden: Bezahlt wird nur ein Bruchteil der Arbeit, wer ausfällt oder Vertragsdetails ausplaudert, muss hohe Konventionalstrafen zahlen – Horrorkontrakte, denen juristisch schwer beizukommen ist. Teilerfolge wie das Grundsatzurteil im Fall Dobrina Alekseva sind hart erkämpft.
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https://www.jungewelt.de/artikel/433466....um-die-uhr.html
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