Ein Scheiterhaufen der Energiekrise
In Schutzgebieten liegen zahlreiche Haufen gefällter Bäume. Greenpeace-Aktive wollten wissen: Was passiert mit diesen Stämmen? Eine Tracking-Recherche.
An einem kalten Januarmorgen stapfen fünf Greenpeace-Aktive durch den verschneiten Wald. Im Gepäck haben sie Hammer, Bohrer und jede Menge Peilsender. Ihr Ziel: die vielen Baumstämme, die hier in sogenannten Poltern, also kleineren und größeren Holzhaufen, gestapelt sind. Die Aktivist:innen bohren runde Holzstücke von wenigen Zentimetern heraus, setzen vorsichtig die GPS-Tracker ein und verschließen das Loch wieder mit dem herausgeschnittenen Holzteil. Nach rund 15 Minuten ist der erste Tracker verbaut – mit bloßem Auge ist kaum erkennbar, dass hier jemand etwas im Stamm versteckt hat. “Diese Tracker haben eine beeindruckende Akkulaufzeit”, sagt Greenpeace-Investigationskampaigner Merlin Ole Pratsch zufrieden. “Damit können wir die Stämme monatelang orten.” Das ganze wiederholen die Aktiven insgesamt 36 Mal, in unterschiedlichen Wäldern. Immer ein Tracker pro Polter, weil Holz meistens “polterweise” verkauft wird. Warum machen sie das? Weil Greenpeace wissen will, was mit diesen Stämmen passiert – und mit dieser Methode können wir den Weg von mutmaßlich bis zu 3185 Stämmen verfolgen.
Die Greenpeace-Aktiven sind in klassischen Mischwäldern mit Laub- und Nadelbäumen in Thüringen und Brandenburg unterwegs. Genauer gesagt machen sie Stichproben in 14 verschiedenen Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Schutzgebieten, von denen es bundesweit 5.206 gibt. Diese Gebiete sollen gefährdete Ökosysteme und wildlebende und teilweise bedrohte Tiere und Pflanzen schützen. Ein Rückzugsort für Arten sein, deren Lebensräume kontinuierlich schrumpfen. Doch von unberührter Natur kann in diesen FFH-Gebieten nicht die Rede sein, denn: Wer durch diese Wälder streift, stößt auf einen Polter nach dem nächsten. Schutzgebiete hin oder her – hier wird gefällt. Und das ist sogar legal. “Wir hatten den Verdacht, dass Laubholz aus FFH-Schutzgebieten in Kraftwerken verbrannt wird”, sagt Pratsch. “Um das zu überprüfen, haben wir recherchiert, welche Kraftwerke Frischholz verbrennen. In der Umgebung dieser Werke sind Greenpeace-Aktive dann gezielt in FFH-Gebiete mit hohem Laubbaumanteil gegangen, um die Tracker zu verbauen.”
Über eine Software beobachtet das Greenpeace-Investigativteam die Reise der Stämme live. Einen Monat lang passiert nichts, doch dann, an einem sonnigen Tag im Februar, springt Pratsch von seinem Bürostuhl auf und ruft durch das Greenpeace Büro: “Sie bewegen sich – endlich!” Über die nächsten Tage und Wochen verfolgen wir gespannt den Weg der gefällten Bäume. Einige Stämme gehen nach Schweden in eine Fabrik zur Papierherstellung. Andere landen in einem Spanplattenwerk oder in einem Sägewerk. Wieder andere enden bei einem Parkettboden-Hersteller in Polen. Und schließlich bestätigt sich auch unser Verdacht: Bäume aus den Schutzgebieten werden tatsächlich zu einem Kraftwerk transportiert. Und das passiert nicht nur mit einem, sondern mit rund 15 Prozent der getrackten Bäume. Sie landen im Biomassekraftwerk Bischofferode/Holungen – und werden verbrannt. Um Strom zu erzeugen, für die Stadtwerke Leipzig.
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https://www.greenpeace.de/biodiversitaet..._eid=7a83bdcc66
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