Medizinische Forschung
Ärzte und Ethiker befürchten Chaos bei klinischen Studien
Ab Ende Januar müssen alle Anträge für Arzneimittelstudien in der EU über ein elektronisches Portal gestellt werden. Doch die Plattform laufe katastrophal, beklagen Mediziner und Ethikkommissionen. Sie erwarten Nachteile für Patientinnen in ganz Europa.
Studien mit Patienten sind die Grundlage für medizinischen Fortschritt. Darüber herrscht in Klinik und Forschung weitgehend Einigkeit. Allerdings sind solche Studien nur dann wertvoll, wenn ein paar wichtige Voraussetzungen erfüllt sind: Sie müssen gut konzipiert sein, damit ihre Ergebnisse aussagekräftig sind. Sie müssen im Vorfeld von einer Ethikkommission begutachtet werden, um möglichen Schaden von Probandinnen und Probanden abzuwenden. Und ihre Ergebnisse müssen nach Studienende veröffentlicht werden, egal, wie die Studien ausgehen, damit alle von dem neuen Wissen profitieren können.
Um all dies zu gewährleisten, arbeiten Arzneimittelbehörden weltweit seit einigen Jahren an mehr Transparenz. In der EU gilt seit dem 31. Januar dieses Jahres eine neue Verordnung über Prüfungen von Arzneimitteln am Menschen - und ein zentraler Punkt ist dabei die verpflichtende Eintragung aller Studien und Ergebnisse in ein elektronisches Portal namens CTIS. Das "Clinical Trials Information System" soll gleich drei Dinge erreichen: Arzneimittelbehörden, Antragsteller und Ethikkommissionen können hier ohne viel Bürokratie an den Unterlagen arbeiten, alles befindet sich auf einer Plattform, ein einziger Antrag genügt für die gesamte EU - und noch dazu erhält die Öffentlichkeit zeitnah Einblick in die Pläne und Resultate. Vom 31. Januar 2023 an müssen sämtliche Anträge für klinische Studien über CTIS laufen, so will es das Gesetz. Nur hier können dann noch Genehmigungen erteilt werden.
Das Problem: Das gibt die Plattform derzeit offenbar gar nicht her. Das System funktioniere nicht richtig, dadurch werde die sorgfältige Überprüfung von Forschungsanträgen durch Ethikkommissionen geradezu verhindert, beklagt der Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen in der Bundesrepublik Deutschland (AKEK) in einem einstimmig verabschiedeten Brandbrief, den die Bundesärztekammer (BÄK), die Deutsche Hochschulmedizin, Industrieverbände und der Verband der Universitätsklinika mitunterzeichnet haben. Selbst nach zehn Monaten Praxis leide das Portal an gravierenden Mängeln, die in den vergangenen Monaten nicht beseitigt worden seien, sondern sogar zugenommen hätten, heißt es in dem Brief. Damit sei die Antragstellung für klinische Prüfungen ebenso wie deren Bearbeitung durch die Ethikkommissionen "massiv beeinträchtigt und nicht zu bewältigen".
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https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/k...ethik-1.5707244
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