Das Geschäft mit ukrainischen Flüchtlingen
Wie die junge Ukrainerin Anastasiia von einem deutschen Unternehmer ausgebeutet wurde. Ein Blick hinter die Fassade vermeintlicher Hilfsangebote.
An einem Abend im Juli steht Anastasiia verloren auf einer Straße in Esslingen am Neckar. Sie will einfach nur weg. Deutschland hinter sich lassen und zu Menschen, die sie liebt.
Mit der einen Hand hält sie ihren Koffer umklammert. Mit der anderen presst die 20-jährige Ukrainerin ihn fest zusammen, damit keine Kleidung herausfällt. Hinter ihr ein zweistöckiger Flachbau, in dem sie vier Wochen mit ihren zwei ukrainischen Kolleginnen gearbeitet und gelebt hat. Ihr bisheriger Arbeitgeber Maximilian H. hat sie gerade rausgeschmissen.
Für 92 Stunden Arbeit im vergangenen Monat soll er Anastasiia nur 300 Euro bezahlt haben, umgerechnet rund 3,30 Euro pro Stunde. 850 Euro weniger als ihr Maximilian H. versprochen hatte, sagt sie. Als sie sich beschwert, wird es dramatisch.
„Maximilian H. schrie und schrie und schrie, dass wir verschwinden sollen“, erzählt Anastasiia über die Szenen kurz vor dem Rauswurf. Er habe gar nicht mehr aufgehört, zu schreien. Als sie sich vor ihm ins Schlafzimmer flüchtet, um sich schnell umzuziehen, macht er die Tür zu ihrem Zimmer einfach wieder auf. „Ich stand in Unterwäsche vor ihm, während er weiter schrie“, erzählt sie. Dann habe er ihr gedroht, ihre Sachen aus dem Fenster zu werfen. „Wir waren erschrocken, sehr erschrocken, weil er vorher immer freundlich war – und jetzt brüllte er einfach los“, erzählt Anastasiia.
In der kommenden Nacht schläft sie am Stuttgarter Bahnhof. Von dort reist sie am nächsten Abend mit dem Zug aus Deutschland ab.
Nur einen Monat zuvor war sie an diesem Bahnhof mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft angekommen: Anastasiia glaubt zu dieser Zeit noch an ein sicheres Leben in Deutschland und mehr Geld. Auch, weil sie damit ihre Eltern, die in der Ukraine zurückbleiben mussten, unterstützen will. Hinter ihr liegt ein schlecht bezahlter Job in einer polnischen Fabrik und ihre dramatische Flucht aus der ostukrainischen Stadt Romny.
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