Ein neuer Flop? Warum wir keinen „digitalen“ Euro brauchen
Die Europäische Zentralbank (EZB) will unser Bargeld digitalisieren. Unser Kolumnist kritisiert den Plan und schlägt eine Alternative vor.
Ja, die Europäische Zentralbank will uns ans Bargeld. Nein, sie will es uns nicht wegnehmen. Sie will es digitalisieren. In Zukunft könnte Bargeld aus Scheinen, Münzen und dem „digitalen Euro“ bestehen, also dem digitalisierten Bargeld. Daran arbeitet die EZB eigentlich schon seit 2019. Nun steht das Novum wieder zur Diskussion, denn im Herbst dieses Jahres soll die Entscheidung fallen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat die bevorstehende Einführung bereits als „Teil eines großen Innovationssprungs“ bejubelt.
Was genau das „Digitalisieren“ aber bedeutet soll, wissen die Zentralbanker selbst noch nicht so recht. Auch nicht, ob digitales Bargeld überhaupt genutzt würde. Es zeichnet sich ab: Die EZB arbeitet an einer Lösung, für die es gar kein Problem gibt.
Umfragen der Bundesbank zeigen: Deutsche lieben ihr Bargeld. Noch immer! Rund 100 Euro hat der Durchschnittsdeutsche im Portemonnaie, dazu 463 Euro Zuhause auf der hohen Kante. Jeder Dritte zahlt am liebsten mit Scheinen und Münzen, bei den Älteren ab 65 Jahre sogar fast jeder Zweite. Dennoch: Der Trend zum digitalen Zahlen setzt sich durch, wenn auch langsam. 2021 wurde mehr als die Hälfte aller Zahlungen in bar abgewickelt, 2017 waren es noch Dreiviertel aller Zahlungen.
Wer ohne Bargeld zahlen will, hat immer seltener Probleme. Beim Einkauf in Berlin kommt man schon heute fast überall ohne Bargeld aus. Bezahlen per Handy oder Smartwatch liegt seit der Corona-Pandemie im Trend. Und wer im Internet kauft, zahlt ohnehin digital. Fast die Hälfte der Internet-Einkäufe zahlen Deutsche mit PayPal, erst danach rangieren nach Umfragen der Bundesbank andere Bezahlmethoden: die klassische Überweisung auf Rechnung, die Kreditkarte, die Lastschrift oder Klarna. Bargeldloses Bezahlen ist in Deutschland heute schon bequem und sicher. Niemand vermisst hier einen „digitalen Euro“, oder?
Der Plan der Zentralbanker für dessen mögliche Einführung sieht heute wohl so aus: Jeder bekäme ein zusätzliches Konto bei seiner Bank, auf dem digitale Euros bis zu einer gewissen Obergrenze von etwa 3000 Euro gehalten werden können.
„Warum noch ein Konto?“, fragt man sich. Die Antwort der EZB: Der digitale Euro sei sicherer als die normalen Einlagen. Diese seien lediglich ein Anspruch gegenüber der Bank, die digitalen Euros wären wie Bargeld ein Anspruch gegenüber der Zentralbank. Dieses technische Detail macht einen theoretischen Unterschied: Da eine Zentralbank niemals pleitegehen kann, eine normale Geschäftsbank aber schon, wäre der digitale Euro so sicher wie Bargeld.
Deshalb auch die Obergrenze für das Konto. Sie soll einen digitalen Bankrun verhindern, also wenn viele Anleger gleichzeitig ihr Geld abziehen wollen. Denn wenn alle ihre Einlagen gegen digitale Euros tauschen würden, wäre das typische Einlagengeschäft der Banken kaputt. Das will die EZB nicht. Wie realistisch ein solcher Run wäre, ist allerdings fraglich. Für die meisten von uns wäre der Unterschied zwischen Einlagen und digitalen Euros praktisch ohnehin egal. Denn für jedes Bankkonto sind Einlagen bis zu 100.000 Euro staatlich geschützt. Sie gehen also nicht verloren, selbst wenn die Bank pleitegeht. Wenn Sie nicht gerade Multimillionär sind, sind auch Ihre normalen Einlagen so sicher wie Ihr Bargeld – oder in Zukunft: ihre digitalen Euros.
Gute Ideen lassen sich mühelos mit wenigen Sätzen präsentieren. Eigentlich müssten die Zentralbanker selbst merken, dass ihnen das beim digitalen Euro offensichtlich nicht gelingt.
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https://www.berliner-zeitung.de/wirtscha...uchen-li.304418
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