Sturmgeschütz für die Formierung der Gesellschaft
Kaum stehen mal ein paar Räder still, schreit das Kapital, dass es das nicht will – aus vollen Rohren, auf allen Kanälen. Vorneweg natürlich die Springer-Presse, Sturmgeschütz für die Formierung der Gesellschaft. Muss ja, wenn eine satte (Nicht wörtlich verstehen!) Mehrheit der Bevölkerung die Streiks im öffentlichen Dienst und bei den Eisenbahnen unterstützt. Wer bislang dachte, wir alle würden für die privatisierten Reste des Gesundheitswesens, kaputt gesparte öffentliche Verwaltung oder das völlig marode Schienensystem bezahlen – mit psychischer wie physischer Gesundheit, Nerven und kostbarer Lebenszeit –, wird nun vom Schmierblatt „Bild“ eines anderen belehrt.
Neben dem Aufruf zum Klassenkampf von oben geht es dann klein, aber investigativ weiter: „Wen der Streik am härtesten trifft und was die Gewerkschaften wirklich wollen …“ Sind die höheren Löhne, die wieder für Miete und Essen reichen sollen, etwa nur vorgeschoben? Geht es den Gewerkschaften tatsächlich um so verruchte Geschichten wie Mitgliedergewinnung?
Wer von so viel analytischem Denken noch nicht überfordert ist – bitte, „Bild“ setzt noch einen drauf. „So prächtig verdienen Gewerkschaftsbosse“, titelte die „Zeitung“ am Montag. Und deckte einen handfesten Skandal auf: EVG-Chef Martin Burkert verdiene 94.000 Euro pro Jahr. Den Hinweis darauf, dass Bahn-Chef Richard Lutz das Zehnfache bekommt, verkniff sich die Redaktion. Den Vogel schoss Nikolaus Blome auf „Spiegel online“ ab. „Kommunisten und Grüne streiken den letzten demokratischen Staatspräsidenten kaputt“, schrieb er über die Streiks in Frankreich. Dahinter vermutet er „die fünfte Kolonne des Kreml“. Blome war bis Herbst 2019 Stellvertretender Chefredakteur und Politikchef der „Bild“.
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