Gut + Mensch = schlecht
Von Diez, Georg
Das "Unwort des Jahres" beruht auf einem perfiden Trick.
Die Deutschen schaffen das: Sie nehmen zwei positive Wörter und machen daraus ein negatives. Das ist verquere deutsche Sprachmathematik. Plus plus plus gleich minus. Karl Heinz Bohrer war es, ein Feuilletonist, der 1992 den Begriff "Gutmensch" erfand. Er meinte Wallawalla-Kirchentagsnervensägen wie Dorothee Sölle oder Franz Alt. Ethik versus Ästhetik, das war der Clash jener Tage. Die Aufregung war allerdings gering, es waren ruhigere Zeiten. Heute sollen Wörter ja eher verletzen, und das Internet prügelt mit. Sprachliche Schützengräben. Das "Gute" wurde dabei zu einem Schimpfwort, das all die treffen sollte, die nun tatsächlich gegen das "Schlechte" sind – sie wurden dabei aber, und das ist der perfide Trick des Wortes "Gutmensch", für all das Schlechte verantwortlich gemacht, das noch übrig ist. Feminismus zum Beispiel. Das war eine Erfindung des Gutmenschen – bis "Köln", da entdeckten den Feminismus plötzlich auch jene, die ihn bislang verlacht hatten. Wie nennt man die überhaupt? Schlechtmenschen? Nun waren auf einmal alle Feministinnen. Aber werden damit all die Schlechtmenschen zu Gutmenschen? Und was bedeutet das dann für die Gutmenschen? Gibt es sie überhaupt? Oder waren sie immer nur eine Erfindung der Schlechtmenschen, eine Chimäre, die überraschend zum "Unwort des Jahres" gewählt wurde? Was man ebenfalls als Unwort bezeichnen müsste, wenn Unwort nicht so ein Unwort wäre.
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