»Wie sollen diese Menschen Gas sparen?«
Bundesregierung ruft zum Verzicht auf, verspricht Entlastung – und verkennt die Lebensrealität vieler Menschen. Ein Gespräch mit Verena Bentele
Bundeskanzler Olaf Scholz, SPD, verkündete vergangenes Wochenende mit Blick auf eine mögliche Gaskrise: Niemand werde »mit seinen Herausforderungen und Problemen alleine gelassen, keine einzelne Bürgerin, kein einzelner Bürger, auch nicht die Unternehmen in diesem Land«. Ist das tatsächlich der Fall?
Aktuell werden nicht alle Menschen entlastet. Zum Beispiel wird die mit dem Entlastungspaket der Bundesregierung beschlossene Energiepreispauschale von 300 Euro nicht an Rentnerinnen und Rentner ausgezahlt, ebenso weder an pflegende Angehörige noch an Studierende. Angesichts der enorm gestiegenen Gas- und Strompreise ist eine unserer wichtigsten Forderungen, dass diese Menschen nicht leer ausgehen.
Ein weiteres relevantes Thema: Wieviel Energie steht uns tatsächlich zur Verfügung? Die Bundesregierung ruft zum Gassparen auf. Das funktioniert jedoch nur für Menschen, die überhaupt sparen können. Betroffen von der Krise sind vor allem diejenigen, die in schlecht isolierten Wohnungen mit alten Heizungen leben. Wie sollen diese Menschen Gas sparen? Entscheidend ist, dass die Bundesregierung dafür sorgt, dass niemand in Herbst und Winter im Kalten sitzt. Jeder muss genügend Gas zum Heizen haben. Deshalb muss der Vorrang für Privathaushalte weiterhin gegeben sein.
Wie werten Sie die von der Bundesregierung für 2023 angekündigte Wohngeldreform?
Wir finden es gut, dass der Kanzler unseren Vorschlag aufgenommen hat. Er kündigte an, der Kreis der Berechtigten werde ausgeweitet und eine Heizkostenpauschale »dauerhaft integriert«. Allerdings müssen die real entstehenden Energiekosten dabei vollständig berücksichtigt und jährlich angepasst werden. Die Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch, wir warten jetzt auf die detaillierte Ausgestaltung.
Beim Energieversorger Uniper wird der Staat nun mit 30 Prozent einsteigen. Die Bundesregierung ermöglicht solchen Unternehmen zudem, die stark gestiegenen Preise an Kundinnen und Kunden weiterzugeben. Laut Scholz wird eine künftige Umlage dann eine vierköpfige Familie mit etwa 200 bis 300 Euro pro Jahr belasten. Fragt sich: Wer muss die Zeche zahlen?
Klar ist, dass die Energiepreise steigen werden, sowohl für Privathaushalte als auch für die Industrie. Deshalb ist es so wichtig, genau hinzuschauen: Wer kann das selbst noch leisten, und wer genau braucht die Unterstützung des Staates durch gezielte Maßnahmen?
Ist es nicht eine Ungleichbehandlung und ein Vorzug für die Konzerne, dass sie sofort und ohne jegliche Auflagen berücksichtigt werden, während Privathaushalte, die jetzt dringend Geld benötigen, bis 2023 warten sollen?
Viele unserer Mitglieder rufen uns jetzt an und schildern, dass sie sich aktuell die Energiekosten aufgrund einer kleinen Rente oder eines Niedriglohns nicht leisten können. Sie können auf keinen Fall bis nächstes Jahr warten.
Machen sich die Preissteigerungen schon jetzt bemerkbar?
Teilweise geht bereits die Angst vor einer möglicherweise großen Nachzahlung um, die von Energieunternehmen gefordert werden. Nicht nur die Gas-, sondern auch die Strompreise sind angestiegen. Bei einem Singlehaushalt im Hartz-IV-Bezug sind für Strom gerade einmal 36 Euro monatlich vorgesehen. Das deckt nicht den hohen Strompreis, der im Vergleich zum Vorjahresmonat in diesem Juni um 34 Prozent gestiegen ist. Hartz-IV-Bezieher müssen vom Regelsatz also nicht nur die sowieso schon gestiegenen Lebensmittelpreise leisten, die nicht entsprechend angepasst wurden, sondern zusätzlich beim Essen und Trinken sparen, um Energiekosten zu zahlen.
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https://www.jungewelt.de/artikel/431356....gas-sparen.html
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