Lukas Bärfuss: Die Krume Brot
Lukas Bärfuss beschreibt in "Die Krume Brot", was es bedeutet, wenn nichts zu vererben ist - außer Schulden. Der Büchnerpreisträger legt den Finger in die Wunde und verbindet sie nicht.
von Katja Weise
Niemand weiß, wo Adelinas Unglück seinen Anfang nahm, aber vielleicht begann es lange vor ihrer Geburt, fünfundvierzig Jahre vorher, um genau zu sein.
Schon der erste Satz setzt den Ton. Es gibt kein Entrinnen, das ahnt man und hofft trotzdem bis zuletzt. "Ich hätte sie beim Schreiben sehr gerne oft geschützt, aber das war nicht möglich", sagt Lukas Bärfuss. "Deshalb war dieses Buch eine prägende und tiefe Erfahrung, von allen meinen Büchern wahrscheinlich das, was ich mit dem meisten Schweiß und Blut geschrieben habe."
Adelina wird Anfang der 1970er-Jahre in Zürich als Tochter italienischer Einwanderer geboren. Verantwortlich für ihr Unglück sind vor allem ihr Vater und ihr Großvater, zwei Männer, die ihren Weg nicht finden und als Väter versagen. Adelina erbt einen Berg Schulden: Zunächst weigert sie sich, das Erbe anzunehmen, doch die Mutter zwingt sie und macht sich anschließend aus dem Staub. Das Mädchen ist noch nicht volljährig und muss seine Lehre abbrechen.
Und so nahm sie eine Arbeit in der Suppenfabrik an, draußen im Tal der Glatt. Man setzte sie in die Qualitätskontrolle, an ein Fließband, auf dem getrocknete Pilze an ihr vorbeizogen, am Montag Morcheln, am Dienstag Steinpilze und den restlichen drei Tagen der Woche gewöhnliche Champignons.
Lukas Bärfuss weiß, wovon er schreibt: "Die 70er-Jahre waren das Jahrzehnt meiner Kindheit, und ich habe sehr vieles, was in dem Buch beschrieben ist, selbst erlebt. Das Pilzesammeln im Wald war eine Möglichkeit, den Speisezettel aufzubessern. An den Geschmack dieser Pilze und den Geschmack der Armut, daran erinnere ich mich sehr gut."
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