Zwei-Klassen-Justiz in Deutschland? Ex-Staatsanwältin über den Kampf gegen Finanzkriminalität
Ex-Staatsanwältin Anne Brorhilker spricht über den Cum-Ex-Skandal und ihre Kämpfe auch mit der Frankfurter Finanzbranche
Frankfurt – Banker und Anwälte waren jahrelang in gemeinsamer Mission unterwegs - den Staat auszurauben. Mit Tricks griffen sie in die Kasse, aus der sonst Straßen und Schulen finanziert werden. Cum-Ex heißt das Prinzip. Der Fall landete bei Anne Brorhilker auf dem Tisch. Als Oberstaatsanwältin in Köln hatte sie deutschlandweit die meisten Ermittlungsverfahren gegen die Steuerräuber geführt und ließ auch in Frankfurt Banken und Kanzleien durchsuchen.
Im April dieses Jahres warf sie das Handtuch. Ihr Vorwurf: Finanzkriminalität wird zu lasch verfolgt. Im Gespräch mit Adrian Kaske blickt sie auf ihre Zeit als Ermittlerin zurück, schildert, was sie in Frankfurt erlebt hat und fällt ein Urteil: In der Bundesrepublik gibt es eine Zwei-Klassen-Justiz.
Als Sie 2013 den Steuerraub zum ersten Mal auf ihrem Schreibtisch hatten - was sind da für Emotionen bei Ihnen hochgekommen?
Das hat mich aufgeregt, schon allein wegen des hohen Schadens von rund 460 Millionen Euro. Ich war in meinem Büro, als die Kollegen des Bundeszentralamts für Steuern mir den Fall zum ersten Mal vorgestellt haben. Da habe ich mich so gefühlt wie jeder andere Bürger auch. Ich habe exakt nichts verstanden. Mir wurden viele bunte Folien gezeigt, und die Kollegen haben mit Fachbegriffen um sich geworfen. Abends am Küchentisch habe ich mir alles noch einmal aufgemalt, also wie die Schritte von Cum-Ex-Geschäften ablaufen. Das hat mich dann sofort an andere Tricks erinnert, bei denen es auch nur darum geht, in die Staatskasse zu greifen. Mir war sofort klar, dass das eine Schweinerei ist und dass enorm hohe Schäden entstanden sind. Nach aktuellen Schätzungen liegt der Gesamtschaden von Cum-Ex bei 10 Milliarden Euro.
Sie haben dann das Landeskriminalamt hinzugezogen.
Ja, nur so konnten wir auch riesige Durchsuchungen im Ausland organisieren. Ich habe bisher nicht davon gehört, dass es noch mal etwas ähnliches gab. Aber es hat sehr gut funktioniert. Das war der erste richtige Nackenschlag. Das hat die Branche so wahrscheinlich noch nie erlebt.
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https://www.fnp.de/frankfurt/finanzkrimi...n-93288585.html
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