Laune
Ist sie eine Verstimmung? Ist sie bloß launisch? Kann sie auch gut sein? Fragen, die Stephan Hebel sich stellt.
Die Stimmung war heiter, das Wetter nicht weniger, einigen schmeckte auch der Wein, in den allerdings die liebe T. sogleich Wasser goss, indem sie bemerkte, das Wort „heiter“ als Bezeichnung für eine heiße und trockene Wetterlage solle sofort aus dem meteorologischen Fachvokabular gestrichen werden, denn hier gehe es nicht mehr um die guten Launen des Wetters, sondern um das Klima, und da seien die Aussichten keineswegs heiter, sondern dürr.
Nun war das Wort „Laune“ schon einmal gefallen, und prompt sagte einer, gleich bekomme er eine schlechte, einerseits des Klimawandels wegen und andererseits aufgrund weiterer „Launen“ der Weltgeschichte, die in Wahrheit alles andere seien als Launen, nämlich menschengemachte Verbrechen und Katastrophen aller Art. Das sei dann allerdings, tröstete ein zweiter, gar keine schlechte Laune, sondern allenfalls eine faktenbasierte schlechte Stimmung. Dem Begriff der Laune wohne etwas Plötzliches, Unmotiviertes inne, das hätten schon die Brüder Grimm gewusst, in deren Wörterbuch „Laune bloß eine unmotivierte, schnell kommende und gehende Verstimmung“ gewesen sei. Die gute Laune sei dann später hinzugekommen, aber Laune sei launisch, bis heute.
Nun konnte eine dritte ergänzen, dieser Hinweis erscheine ihr durchaus bedeutend, denn schon ihr Vater habe, gerade wenn er sehr schlecht gelaunt gewirkt habe, oft in erheblicher Lautstärke betont, er kenne keine Launen, sondern nur Stimmungen. Das habe allerdings für das Kind erstens keinen erkennbaren Unterschied und zweitens die Sache nicht einfacher gemacht, da der Vater ja damit angedeutet habe, dass sein Zustand, da zwingend als Stimmung zu bezeichnen, eine Ursache haben müsse, und die, so habe das Kind gefolgert, könne nur in ihm, dem Kind, selber liegen.
Eine vierte dagegen schweifte, um wieder bessere Stimmung bemüht, ein wenig ab und bat die Anwesenden, sich eine Kaufhausrestaurant-Thekenkraft vorzustellen, die eine Kelle zur Hand nehme und Kartoffelpampe neben das im Sonderangebot befindliche Fünf-Euro-Schnitzel wuchte. Wer wolle, könne dieses innere Bild nun in eine Jugendherberge verlegen und mit der Erinnerung an den Geruch von Hagebuttentee verknüpfen. Wer dann noch keine schlechte Laune habe, sei selber schuld, sagte sie, und die Stimmung war gerettet, bis ein fünfter erzählte, er sei in Berlin im Hotel gewesen und habe die Frühstücksdame gefragt, ob noch Rührei im Angebot sei. „Wenn’s fertig ist“, habe diese geraunzt. Das allerdings, warf jemand ein, sei keine Laune, sondern Berlin.
Stephan Hebel
https://www.fr.de/kultur/timesmager/ist-...t-93792754.html
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