BKA-Aktion gegen Hass
Die Polizei hat gestern bundesweit mehr als 180 Einsätze organisiert: gegen mutmaßliche Trolle im Netz, die dort vor allem rechtsradikale Äußerungen verbreitet haben sollen.
Koordiniert hat das Ganze das Bundeskriminalamt (BKA), 65 Durchsuchungsbeschlüsse wurden umgesetzt. Das heißt, die Polizei war beispielsweise in den Privatwohnungen der Trolle und hat deren Rechner gesichert. Die Hinweise auf die strafbaren Hasspostings stammten laut Bundeskriminalamt von Bürgern oder Meldestellen – oder aus eigenen Ermittlungen der Polizeibehörden.
Reporterin Samira Joy Frauwallner hat gesterm das Bundeskriminalamt, alle 16 Landeskriminalämter und beteiligte Staatsanwaltschaften gefragt:
Was wird aus den Ermittlungsverfahren, die gegen Hass und Hetze im Netz angestoßen wurden? Also: In wie vielen Fällen gab und gibt es Verurteilungen?
Die Polizei Bremen teilte hierzu auf unsere Anfrage ein aktuelles Beispiel: In einem Fall soll ein Beschuldigter auf der Plattform Youtube einen Beitrag mit dem Titel „Bist du Jude? Wenn ja, ruft Auschwitz" veröffentlicht haben, was den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Die Ermittler suchten in Bremen am Morgen die Wohnung von Beschuldigten wie diesem auf und stellten Beweismittel wie Mobiltelefone und Datenträger sicher.
Laut Angaben der Landeskriminalämter und der Staatsanwaltschaften gibt es Stand jetzt folgende Zahlen zum heutigen Aktionstag:
In Bayern habe es zwölf beschuldigte Personen und infolge dessen Durchsuchungen gegeben, eine Vernehmung und Beschlagnahme von Beweismitteln wie Mobiltelefone und Laptops.
Laut Staatsanwaltschaft Berlin gab es in der Hauptstadt keine Festnahmen, aber auch dort seien Beweismittel eingezogen worden.
Brandenburg beteiligte sich mit sechs Maßnahmen.
Thüringen meldete 25 Einsätze.
In Sachsen sollen es 16 Vernehmungen und eine Durchsuchung gewesen sein.
In Bremen habe die Polizei fünf Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt.
Mecklenburg-Vorpommern hat nur eine Vernehmung in Neubrandenburg wegen eines mutmaßlichen Verstoßes ausgeführt: wegen Beleidigung gegen Personen des politischen Lebens.
In Niedersachsen soll ebenfalls ein einzelner 18-Jähriger Ziel einer Durchsuchungsmaßnahme gewesen sein. Grund sei der Verdacht, NS-Symbole über Instagram verbreitet zu haben.
In Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein habe es in Zusammenhang mit dem Aktionstag keine Festnahmen gegeben.
Die restlichen Bundesländer haben bis Redaktionsschluss nicht geantwortet.
Wir haben die beteiligten Behörden auch gefragt, was sie sich von den Aktionstagen erhoffen: Geht es darum, allgemein abzuschrecken? Also die Angst davor zu schüren, dass vielleicht irgendwann die Polizei vor der Tür steht?
Das Bundeskriminalamt erklärte: „Dass Menschen durch die Aktionstage vom Posten strafbarer Inhalte abgehalten werden, kann positiv unterstellt werden, ist aber nicht messbar."
Die Staatsanwaltschaft Göttingen erklärte hingegen: „Von den Aktionstagen versprechen wir uns den Effekt, dass es sich herumspricht, dass die Verbreitung strafbarer Inhalte im Internet nicht sanktionslos bleibt". Stattdessen solle klar werden, dass die Verfasser solcher Kommentare möglicherweise „aus der Anonymität des Netzes herausgeholt" und „mit strafrechtlichen Mitteln verfolgt" werden können. Auch Sachsen äußerte sich ähnlich: dass der Aktionstag ein „deutliches Zeichen gegen Gewalt und die Verbreitung von extremistischem Gedankengut" sein soll, um deutlich zu machen, dass Täter „jederzeit mit einer konsequenten Strafverfolgung zu rechnen haben".
Wird der Hass im Netz denn weniger?
Wirkt die Abschreckung? Auch das haben wir gefragt.
Fest steht: Die Zahl der rechtsradikalen Hasspostings im Netz ist zuletzt nicht etwa gesunken, sondern sogar gestiegen: Wie eine Sprecherin der Polizei Bremen mitteilte, wurden im vergangenen Jahr 10.732 Straftaten in diesem Zusammenhang angezeigt. Das war fast ein Drittel mehr als im Jahr zuvor.
Ein Grund für diesen Anstieg sei unter anderem, dass Meldungen eingehen können, weil es seit 2022 eine zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet des BKA (ZMI BKA) gibt. Auch ein größerer Teil der Fälle des heutigen Aktionstages gehe darauf zurück. Nur zur Erfolgsquote vergangener Aktionstage selbst liegen laut Sprecher aus Thüringen keine belastbaren Zahlen vor. Es erfolge keine „statistische Erfassung über den Ausgang der durchgeführten Maßnahmen".
Dass die Zahl der strafrechtlich relevanten Hasspostings im Netz gestiegen ist anstatt gesunken, heißt jedenfalls nicht, dass man die Aktionstage sein lassen sollte. Schließlich weiß man nicht, wie viel mehr Hass-Aktionen im Netz es ohne sie gegeben hätte.
Quelle: Corrrectiv-Newsletter
Reset the World!
Beiträge: | 28.232 |
Registriert am: | 02.11.2015 |
![]() | Ein eigenes Forum erstellen |