Sirius geht essen
Wenn Sirius mit seiner Liebsten essen geht, dann meint er GROß essen und nicht an der Frittenbude Öl trinken.
Dann muss gefälligst das Ambiente stimmen. Die Frau stimmt ohnehin, die, wie Kishon schon sagte, „beste Frau von allen“, das Wetter natürlich, für das man ein Händchen haben muss: Nicht zu warm, nicht zu kalt, unauffällig angenehm, weltmännisch getimt eben. Die Umgebung natürlich, die Stimmung, Tauben, die auf Zuruf zu schnäbeln beginnen, Verliebte in Tretbooten, eine dezente unsichtbarer Geige, die romantisch schluchzt.
Wenn alle auf ihren Posten sind, beginnen Sirius und Liebste zu promenieren, am Ufer eines sagenumwobenen Flusses, vorbei an den lästigen Ausflüglern, ein Zwinkern zu den Tretbooten, von Zeit zu Zeit ein Schloss zur Rechten – links ist ja der Fluss.
Sirius muss kein Tisch vorbestellen, Sirius ist Sirius, ein Wink zu Gaston genügt. Sirius speist in der von Schadstoffen gereinigten Luft unter Sonnenschirmen, der Ober dezent im Hintergrund.
Aber das gemeine Volk, das sich Tag und Nacht zu befressen weiß, hockt ungeniert vor vornehmen Lokalen und nimmt jeden Platz in Beschlag. Unbeeindruckt vom Pöbel gehen Sirius und Liebste ein Haus weiter. Und noch eins. Und noch eins. Schau doch mal, wie süß die Tauben sind.
Die erlesendsten Restaurants gibt es ohnehin in der Altstadt. Es ist Zeit genug, Sirius hat an alles gedacht und Bewegung ist gut für den Appetit.
Es wird langsam warm, die Abendsonne, das dumme Ding.
Unter den Sonnenschirmen in der Altstadt tummeln sich die Kulturbanausen, Ignoranten, die die Speisekarte verkehrtherum halten, Frittenexperten, die just heute einen auf Gourmet machen, Strolche aus der Nachbarstadt, die man hier widerwillig bewirtet, das ist ohnehin kein geeignetes Publikum für Sirius und der Liebsten.
Sirius bleibt souverän.
Wenn man zum Fluss zurückgeht und ihm folgt, kommen unweigerlich die Ausflugslokale und Biergärten für Insider, weiße Ausflugsschiffe empfangen einen mit fröhlichen Sirenen, Musik aus tausend und einer Nacht lockt..
Die Liebste zieht die Pumps aus, nur der Freiheit wegen, Sirius raucht noch eine Schachtel Zigaretten unterwegs, zwinkert den Tretbooten zu, und verspricht der Liebsten einen traumhaften Abend.
Es ist erstaunlich, wie die paar Kilometer den Füßen zu schaffen machen, die Liebste zieht humpelnd die Handtasche hinter sich durch den Sand und lauscht ergriffen den Schilderungen von Sirius über die zu erwartenden zauberhaften Ereignisse. Und natürlich ist dieser romantische Weg am Ufer entlang ein Geheimtipp, kaum sonst jemand ist unterwegs, die andern sitzen längst an vornehmen Tischen, die sie vorbestellt haben.
Der weiße Prachtbau des Ausflugslokals für Insider leuchtet in zauberhaften Lichtspielen, auf den weißen Schiffen feiern Geburtstagsgäste, die Ober eleganter als die Gäste, die auf dem großen schirmüberspannten Platz jeden Platz besetzt haben, weil sie mit dem Auto gekommen sind, ein Geheimtipp sozusagen, weil es viel schneller geht, als sich die Haut von den Füßen zu laufen.
Die Liebste überlegt kurz, ob sie nicht doch besser dem Verdursten entgeht, wenn sie am Tisch des schlemmenden Sparkassendirektors Platz nimmt, aber Sirius, der Souveräne, weiß in jeder Situation Rat. Da weiß eine Frau, was sie hat.
Denn hinter dem Ausflugslokal für ausgewählte Gäste schließt sich ein baumüberdachtes Paradies mit Biergartentischen und Bänken für weniger Betuchte an, dafür aber mit einem Imbiss mit zahlreichen Wurstsorten, mindestens drei jedenfalls. Dazu Holzfällersteaks, frisch auf dem Grill zubereitet, nicht der undefinierbare Fraß aus der mondänen Küche, das in endlosen Gängen serviert wird, von denen keiner satt macht.
Sirius und die Liebste nehmen auf einer wackeligen Bank Platz. Keine Sorge, die Kellnerin wird den klebrigen Tisch gleich abwischen. Vielleicht erst einen Wein? Es gibt nur Bier in Kübeln, Eimern oder Flaschen. Das ist Freiheit pur, rustikal und erlebnisecht, der Sonnenuntergang zwischen den Bäumen, die Wurst auf der Hand, und Verliebte fern in Tretbooten, die Sirius zum Teufel wünscht.
Kolonnen von Wurtskennern pilgern unaufhörlich links an Sirius und der Liebsten hin und her, zur rechten Hand feiert nahezu ordinär eine Gruppe fröhlicher Männer. Ein Ambiente, wie geschaffen für zwei Verliebte, die sich ganz romantisch gestehen, was ihnen alles wehtut.
Sirius, der Souveräne, nimmt lächelnd die zarten Hände der Liebsten, wirft dabei ein Bierglas um, die Bedienung bringt schon nach zwanzig Minuten einen Lappen, und die Flecken gehen schon aus der Hose raus. Die Liebste seufzt gequält, sie lässt sich ihr Glück nicht anmerken.
Notdürftig versorgt bleibt nicht mehr viel Zeit, der letzte Bus fährt bald, wenn man schnell zur Haltestelle läuft, woher soll man auch wissen, dass es plötzlich regnet.
Gegen Mitternacht trudelt man erschlagen zu Hause ein, wo die Familie ganz bürgerlich gegrillt und gefeiert hat. Begeistert werden Sirius und die Liebste empfangen und jemand, der vermutlich viel Tretboot fährt, fragt: „Ich hab gehört, ihr wart groß essen. Erzählt doch mal!“
Sirius
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Lieber Sirius,
köstlich deine Geschichte, welche wahrlich ein Leckerbissen ist, habe ich genussvoll, ganz nach Gourmet Art verspeist, jeden einzelnen Happen,
ach das ist völlig untertrieben, verschlungen habe ich sie, ohne auch nur einmal zu kauen, gierig, ja förmlich aufgefressen und völlig vergessen,
auch mal zu trinken, ja, die klebrigen Speisereste zwischen den Zähnen, bewahre ich auf, für schlechte Zeiten und dann lasse ich sie mir dann auf der Zunge zergehen.
Liebste
Leo
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Da hak ich mich doch gleich bei Leo ein.
Hier ist dir wieder eine sehr geschmackvolle, Siriusische Satire gelungen.
Die kleinen, mit deinem einfallsreichen Humor gespickten Pannen, machen das Lesen zum Genuss.
Hab mich wieder bestens amüsiert, lieber Sirius.
Danke!
Jonny
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Was für ein Genuss, Sirius!
Deine Zeilen haben mir eine Extraportion Lachen beschert.
Liebe Lottegrüße
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Ach, ihr Lieben, ich bin einfach nur froh, dass ihr euch amüsiert habt.
Und Leo hätte nicht gleich so zu übertreiben brauchen, aber ich bin ihr dankbar dafür.
Ich bin euch von Herzen dankbar für eure Kommentare!
Sirius
Reset the World!
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Ich hab nicht übertrieben, Sirius. Wobei, es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte einen Poetry Slam daraus gemacht.
Schreiben macht schön.
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Ja, warum nicht, Leo? Tob dich aus, du kannst das bestimmt toll erzählen!
Reset the World!
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Welch fröhlich Volk zu dieser Zeit,
und immer zu Lachen bereit.
Wir ham den Spaß nicht vergessen
(Ich hab förmlich mitgegessen.)
Dinner for Two mit Mamsell?
Als ob das wichtig wär!
Mein Problem ist existenziell:
Wo krieg ich brauchbar Steak her?
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Ja, lieber Karl-Ludwig, Fröhlichkeit in dieser Zeit ist für viele der einzige Luxus, den man sich noch leisten kann. Danke für dein tolles Gedicht und schade, dass du immer noch auf der Suche nach der richtigen Steakzubereiterin bist.
Apropos Zureiterin: Deine..äh..Bekannte kann doch ganz sicher Steak braten und was ist mit der jungen Zwanzigerin, der du aus religiösen Gründen nicht an die Wäsche konntest?
Und wenn du mal ein Steak-Castings machst? Da müsste sich doch was finden lassen zum Verbraten, du bist schließlich in den besten schlechtesten Jahren, die man haben kann, von den schlechten mal abgesehen. Das muss jetzt hurtig gehen, bevor du alles pürieren musst.
Und ich danke dir herzlich!
Sirius
Reset the World!
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Auch bei wiederholter Lektürschmause sehr bekömmlich.
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