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RE: Platz für Kunst

#181 von Sirius , 22.06.2018 20:46

Lust

Jeder fällt sich um den Hals
Zu der Zeit des Karnevals.
Und nach alten Münchner Bräuchen
Hörst du ihn vor Lust fast keuchen.

Bis zur Drau, bis zu Sau
Hörst du herzigen Radau.
Wo du deinen Blick hin schwenkst,
Quietscht die Stute, bläst der Hengst.

Ganz zur Pfeife, ganz zur Tute
Lärmen sie durch die Redoute.
Mit Musik und blauem Dunst
Herrscht a kreuzfidele Brunst.

Menschensehnsucht?, dick verdeckt?
Arme, in die Welt gereckt?
(... Mit dem Hin- und Herwärts-Neigen
Junger Körper gehn die Geigen ...)

Ernst Blass (1890-1939)


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RE: Platz für Kunst

#182 von Sirius , 25.06.2018 20:40

Überall ist Leben

Das Brot verkrümelt sich im Haus.
Die Matte fühlt sich matt.
Der Beutel sieht gebeutelt aus.
Er hat sein Dasein satt.

Die Dose döst dumpf vor sich hin.
Sie fühlt sich schrecklich leer.
Sie sieht im Leben keinen Sinn.
Sie kann und mag nicht mehr.

Die Schere schert das einen Dreck.
Sie will, was sie nicht darf.
Liegt lüstern lauernd im Versteck
und ist aufs Tischtuch scharf.

Die Kuckucksuhr beginnt zu schrein.
Sie findet kein Gehör.
Der Teppich schaut betreten drein
und fürchtet ein Malheur.

Da, plötzlich tritt die Hausfrau ein
und macht es sich bequem.
Im Haus herrscht eitel Sonnenschein.
Wie ist die Welt so schön!

Wolfgang Lörzer


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RE: Platz für Kunst

#183 von Sirius , 27.06.2018 21:15

Schwermütiger Abend

Ich habe mir den Abend, ach, so wundervoll gedacht,
jedoch das Schicksal hat ihn mir komplett kaputtgemacht.
Der Himmel hängt voll grauer Tränensäcke.
Ein Windbeinkleid pfeift stürmisch um die Ecke.
Die Zitterpappel zittert mit dem Hinterteil.
Die Trauerweide grüßt mich: Trauerweidmannsheil!
Es schluchzt die Nachtigall beim Mondenscheine,
sie klagt so über Nachtigallensteine.
Auch die Glühwürmchen funktionieren nicht,
dieweil es ihnen an dem Hinterlicht gebricht.
Und dann die Mücken - Mücken -, nichts als Mücken.
Man soll's nicht glauben, wie die Mücken jücken.
Sogar der gute Mond nimmt ab - statt zu,
und über allen Wipfeln ist mehr Un- als Ruh.
Im Teiche höre ich die bösen Unken unken.
Es klingt, als lachten sie mich aus, diese Halunken.
Doch tröst ich mich: O armes Herz, verzage nicht.
Der Esel geht so lang zum Brunnen, bis er bricht.

Fritz Endrikat


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RE: Platz für Kunst

#184 von Sirius , 28.06.2018 21:06

Gedanken beim steifen Grog

Wo ein Grog ist - da ist auch ein Keller.
Wo eine Zeche - ist auch ein Preller.
Wo ein Tsching - da ist auch ein Bum.
Wo ein Kümmel - da ist auch ein Rum.
Wo ein Mat ist - ist auch ein rose.
Wo ein Wind - ist auch eine Hose.
Wo ein Luv ist - ist auch ein Lee.
Wo ein W - da ist auch ein C.
Wo eine Ana - ist auch die lyse.
Wo eine Kom ist - ist auch die büse.
Wo ein Kauta - da ist auch ein bak.
Wo ein Dudel - da ist auch ein Sack.
Wo ein Säbel - da ist auch die Scheide.
Wo ein Schorf ist - da ist auch die Heide.
Wo ein Labs ist - da ist auch ein kaus.
Wo eine Freude - da ist auch ein Haus.
Wo ein Stein ist - da ist auch ein häger.
Wo ein Schorn - ist auch ein steinfeger.
Wo ein Kampf ist - da ist auch ein Sieg.
Wo eine Jungfer - da ist auch ein Stieg.
Wo ein Amboss - da ist auch ein Hammer.
Wo eine Katze - ist auch ein Jammer.
Wo eine Hexe - da ist auch ein Schuss.
Wo ein Kurz ist - da ist auch ein Schluss.

Fritz Endrikat


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RE: Platz für Kunst

#185 von Sirius , 02.07.2018 21:20

Wann hört der Humor auf?

Erst, wenn der Lachs smolliert mit laxen Dachsen,
Wenn Affen gleich den Versifexen klecksen,
Gleich Bellachini die Eidechsen hexen
Und Frösche ob der Steuertaxen quacksen,-

Wenn Straußeneier wild in Sachsen wachsen,
Im Garten wuchern, gleich Gewächsen, Flexen,
Und Philologen gleich perplexen Fexen
Belächeln höhnisch der Syntaxen Faxen,-

Wenn Reiterstiefel zarte Nixen wichsen,
Wenn Englands Söhne sich mit Ochsen boxen
Und Storch' aus einem Krug mit Luchsen glucksen,-

Wenn grüßt der Elefant mit fixen Knixen,
Am Schabbestag die Orthodoxen ochsen ...
Dann wird kein Witz sich mehr mit Juxen mucksen!

Unbekannt


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RE: Platz für Kunst

#186 von Sirius , 03.07.2018 21:00

Von Zeiten

sein das heuten tag sein es ein scheißen tag
sein das gestern tag sein es gewesen ein scheißen tag ebenfalz
kommen das morgen tag sein es werden ein scheißen tag ebenfalz
und so es sein aufbauen sich der scheißen woch
so es sein aufbauen sich der scheißen april
und es sein anhängen sich der scheißen mai
und es sein anhängen sich der scheißen juni scheißen juli august etten zetteren

so es sein aufbauen sich der scheißen jahr
und auf allen vieren sich der scheißen schalten jahr
und haben jeden der scheißen jahr darauf einen nummeron
neunzehnscheißhundertsiebenundsiebzigscheiß
scheißneunzehnhundertscheißachtscheißsiebzigscheiß
so es sein aufbauen sich der scheißen leben
schrittenweizen hären von den den geburten
und sein es doch wahrlich zum totscheißen

Erst Jandl


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RE: Platz für Kunst

#187 von Letreo71 , 10.07.2018 15:49

Zitat von Sirius
Überall ist Leben

Das Brot verkrümelt sich im Haus.
Die Matte fühlt sich matt.
Der Beutel sieht gebeutelt aus.
Er hat sein Dasein satt.

Die Dose döst dumpf vor sich hin.
Sie fühlt sich schrecklich leer.
Sie sieht im Leben keinen Sinn.
Sie kann und mag nicht mehr.

Die Schere schert das einen Dreck.
Sie will, was sie nicht darf.
Liegt lüstern lauernd im Versteck
und ist aufs Tischtuch scharf.

Die Kuckucksuhr beginnt zu schrein.
Sie findet kein Gehör.
Der Teppich schaut betreten drein
und fürchtet ein Malheur.

Da, plötzlich tritt die Hausfrau ein
und macht es sich bequem.
Im Haus herrscht eitel Sonnenschein.
Wie ist die Welt so schön!

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Schreiben macht schön.

 
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RE: Platz für Kunst

#188 von Sirius , 12.07.2018 20:59

Dankeschön, Leo!


Dreissigwortegedicht

Siebzehn Worte schreibe ich
auf das leere Blatt,
acht hab ich bereits vertan,
jetzt schon sechzehn und
es hat alles längst mehr keinen Sinn,
ich schreibe lieber dreißig hin:
dreißig.

Robert Gernhardt


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RE: Platz für Kunst

#189 von Sirius , 13.07.2018 21:03

Die neuen Fernen

In der Stratosphäre,
Links vom Eingang, führt ein Gang
(Wenn er nicht verschüttet wäre)
Sieben Kilometer lang
Bis ins Ungefähre.

Dort erkennt man weit und breit
Nichts. Denn dort herrscht Dunkelheit.
Wenn man da die Augen schließt
Und sich langsam selbst erschießt,

Dann erinnert man sich gern
An den deutschen Abendstern.

Joachim Ringelnatz


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RE: Platz für Kunst

#190 von Sirius , 16.07.2018 20:53

Der Blusenkauf

Wenn Frau'n was kaufen, geht das flink,
ich weiß, wie's meinem Freund erging,
der, jung vermählt, wollt in der Früh
mal ins Büro, da sagte sie:
"Lass mich ein Stückchen mit dir gehen" -
dann blieb sie vor ´nem Laden stehn.
"Komm, gib mir's Geld - bin gleich zurück,
es dauert nur ´nen Augenblick.
Bleib draußen", sprach Frau Suse,
"ich kauf mir bloß ´ne Bluse."

Nun geht sie rein - "´nen Augenblick".
Ihr Mann, sehr heiter, bleibt zurück. -
Er freut sich - ´s Wetter ist sehr schön,,
sieht Kinder, die zur Schule gehen. -
Und sie sagt drinnen zur Mamsell:
"´ne blaue Bluse, aber schnell!"
Nun schleppt man alle blauen rein,
und nach ´ner Stunde sagt sie: "Nein,
ich finde keine nette,
ich möchte ´ne violette."

Nun packt man violette aus.
Ihr Mann, geduldig, steht vorm Haus.,
denkt: "Ziemlich lange währt so'n Kauf",
geht auf und ab - und ab und auf -
und sie sagt drinnen: "Das ist nett!
Wie kam ich nur auf violett?
Da fällt mir ein, Frau Doktor Schmidt
geht immer mit der Mode mit -
und die trägt jetzt ´ne gelbe.
Ach, geb'n Sie mir dieselbe."

Nun packt man alle gelben aus.
Ihr Mann wird hungrig vor dem Haus.
Der Mittag naht - die Sonne sticht,
die Kinder komm'n vom Unterricht. -
Und sie sucht drin und sagt alsdann:
Was geht Frau Doktor Schmidt mich an!
Wie kam ich auf ´ne gelbe nur?
Es wird ja Frühling, die Natur
zeigt frohe Hoffnungsmiene,
ach, geb'n Sie mir ´ne grüne."

Nun packt man alle grünen aus.
Ihr Mann wird matt und seufzt vorm Haus:
"Gern kauft' ich ´ne Zigarre mir,
jedoch das Geld, das ist bei ihr-" -
Und sie sagt drin: "Beim Sonnenschein,
da wird das Grün zu dunkel sein." -
Da schaut er rein. "Mein Portemonnaie."
Sie sagt: "´nen Augenblick noch. Geh!
Ich bin ja gleich zur Stelle. -
Ach, geb'n Sie mir ´ne helle."

Nun packt man alls hellen aus.
Da gibt's ein Ungewitter drauß:
Es regnet bis zum Abendbrot -
und sie sagt drinnen zur Mamsell:
"So'n Wetter heut - und dazu hell?
Und übberhaupt, wir haben bald
April, da wird's oft nass und kalt,
dann bin ich die Blamierte.
Ach, geb'n Se ´ne karierte."

Nun packt man die karierten aus -
und er stöhnt, frei nach Goethe, drauß:
"Was ewig weiblich, zieht uns an.
Das Weib, das zieht sich ewig an." -
Und sie probt drin und sagt entsetzt:
"Was - Nummer vierundvierzig jetzt?
Nicht zweiundvierzig, schlank und schick?
Dann nichts Kariertes - das macht dick",
ihr Blick zur Taille scchweifte.
"Dann geb'n Sie ´ne gestreifte."

Nun packt man die gestreiften aus.
Ihr Mann, der wankt und röchelt drauß:
"Ein Augenblick!" Das war ihr Wort! -
Dann fällt er um - man trägt ihn fort. -
Da kommt sie mit ´ner roten raus.
"Hier bin ich schon", ruft froh sie aus -
und schreit: "Mein Mann!! Mein einz'ges Glück!
Gott, ist er tot? - Ein Augenblick!"
Und in den Laden starrt se:
"Dann geb'n Sie mir ´ne schwarze."

Otto Reutter


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RE: Platz für Kunst

#191 von Sirius , 20.07.2018 20:57

DIESER VOGEL IST NUR GEDULDET

im sammelkäfig seit er mit beiden
bruderküken von einem feindlichen
zweig fiel selbiger nestflüchtling darf
nicht flügge werden flüge sind streng

verboten in der voliere haben ortswechsel
von stange a nach stange b nur auf antrag
und bei genehmigung durch den zuständigen
tierpfleger zu erfolgen ein verbindliches recht

auf selbstverantwortliches säen und ernten
sichert der hv nicht zu und er ernähret sie
doch in sonderfällen kann einzelnen
vertretern der klasse aves die erlaubnis

eingeräumt werden basisaufgaben bzgl.
der käfigreinigung zu übernehmen ein
generelles bleiberecht für brutvögel und
nestlinge ist seitens der zooleitung nicht

vorgesehen die rückführung des geflügels
ins raubtierhaus wird als vorrangiges ziel
formuliert und erfolgt umgehend sobald
die katzen versprechen veganer zu werden


Gabriele Trinckler


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RE: Platz für Kunst

#192 von scrabblix , 20.07.2018 23:23

Viel zu gut und wichtig um hier versteckt zu werden!


Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.

 
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RE: Platz für Kunst

#193 von Letreo71 , 25.07.2018 21:08

Zitat von Sirius
Der Blusenkauf

Wenn Frau'n was kaufen, geht das flink,
ich weiß, wie's meinem Freund erging,
der, jung vermählt, wollt in der Früh
mal ins Büro, da sagte sie:
"Lass mich ein Stückchen mit dir gehen" -
dann blieb sie vor ´nem Laden stehn.
"Komm, gib mir's Geld - bin gleich zurück,
es dauert nur ´nen Augenblick.
Bleib draußen", sprach Frau Suse,
"ich kauf mir bloß ´ne Bluse."

Nun geht sie rein - "´nen Augenblick".
Ihr Mann, sehr heiter, bleibt zurück. -
Er freut sich - ´s Wetter ist sehr schön,,
sieht Kinder, die zur Schule gehen. -
Und sie sagt drinnen zur Mamsell:
"´ne blaue Bluse, aber schnell!"
Nun schleppt man alle blauen rein,
und nach ´ner Stunde sagt sie: "Nein,
ich finde keine nette,
ich möchte ´ne violette."

Nun packt man violette aus.
Ihr Mann, geduldig, steht vorm Haus.,
denkt: "Ziemlich lange währt so'n Kauf",
geht auf und ab - und ab und auf -
und sie sagt drinnen: "Das ist nett!
Wie kam ich nur auf violett?
Da fällt mir ein, Frau Doktor Schmidt
geht immer mit der Mode mit -
und die trägt jetzt ´ne gelbe.
Ach, geb'n Sie mir dieselbe."

Nun packt man alle gelben aus.
Ihr Mann wird hungrig vor dem Haus.
Der Mittag naht - die Sonne sticht,
die Kinder komm'n vom Unterricht. -
Und sie sucht drin und sagt alsdann:
Was geht Frau Doktor Schmidt mich an!
Wie kam ich auf ´ne gelbe nur?
Es wird ja Frühling, die Natur
zeigt frohe Hoffnungsmiene,
ach, geb'n Sie mir ´ne grüne."

Nun packt man alle grünen aus.
Ihr Mann wird matt und seufzt vorm Haus:
"Gern kauft' ich ´ne Zigarre mir,
jedoch das Geld, das ist bei ihr-" -
Und sie sagt drin: "Beim Sonnenschein,
da wird das Grün zu dunkel sein." -
Da schaut er rein. "Mein Portemonnaie."
Sie sagt: "´nen Augenblick noch. Geh!
Ich bin ja gleich zur Stelle. -
Ach, geb'n Sie mir ´ne helle."

Nun packt man alls hellen aus.
Da gibt's ein Ungewitter drauß:
Es regnet bis zum Abendbrot -
und sie sagt drinnen zur Mamsell:
"So'n Wetter heut - und dazu hell?
Und übberhaupt, wir haben bald
April, da wird's oft nass und kalt,
dann bin ich die Blamierte.
Ach, geb'n Se ´ne karierte."

Nun packt man die karierten aus -
und er stöhnt, frei nach Goethe, drauß:
"Was ewig weiblich, zieht uns an.
Das Weib, das zieht sich ewig an." -
Und sie probt drin und sagt entsetzt:
"Was - Nummer vierundvierzig jetzt?
Nicht zweiundvierzig, schlank und schick?
Dann nichts Kariertes - das macht dick",
ihr Blick zur Taille scchweifte.
"Dann geb'n Sie ´ne gestreifte."

Nun packt man die gestreiften aus.
Ihr Mann, der wankt und röchelt drauß:
"Ein Augenblick!" Das war ihr Wort! -
Dann fällt er um - man trägt ihn fort. -
Da kommt sie mit ´ner roten raus.
"Hier bin ich schon", ruft froh sie aus -
und schreit: "Mein Mann!! Mein einz'ges Glück!
Gott, ist er tot? - Ein Augenblick!"
Und in den Laden starrt se:
"Dann geb'n Sie mir ´ne schwarze."

Otto Reutter



Herrlich, Sirius!


Schreiben macht schön.

 
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RE: Platz für Kunst

#194 von Sirius , 04.08.2018 20:10

Recept wider böse Weiber.
Eine Romanze.

Ein armer Ehegatte,
Der ohne seine Schuld
Die Höll‘ auf Erden hatte,
Ward endlich der Geduld
Nach langen Jahren müde,
Und schaffte schnell und klug
Sich vor dem Engel Friede,
Der ihn mit Fäusten schlug.

Sein Weib war bitterböse,
Die Tobsucht rief aus ihr,
Bey manchem Zankgetöse:
Ein Leides thu ich mir!
Ja, ja, du Weiberhasser,
Du Teufel, der du bist,
Ich springe noch ins Wasser,
Wo es am tieffsten ist.

Sie sprachs zu tausendmalen,
Und sprang ins Wasser nie.
Auf neue Männerqualen
Dacht ihre Seele früh,
Sobald der Tag erwachte.
Ihr Dämon, schwarz und klein,
Blies ihr im Traum bey Nachte
Den Stoff zum Zanken ein.

Einst fieng beym Abendtische
Ihr Zorn zu donnern an,
Und still, wie stumme Fische,
Blieb ihr geplagter Mann;
Ließ ihrer frechen Zunge
Den Zügel - gab ihr nach,
Bis sie vom Wassersprunge
Mit blauen Lefzen sprach.

Da warf der Mann sein Messer
Tief in den Tisch, und riß
Das Weib an ein Gewässer.
Hier, sprach er: Thue dieß
Was du zu thun beschlossen.
Hier springe mir hinab. -
Hier sah sie, furchtbegossen,
Ins grause Wassergrab.

Sie hieng an seinen Armen
Und fühlte Todesquaal;
Er aber, ohn Erbarmen,
Er tauchte siebenmal
Sie unter mit dem Kopfe,
Bis sie die Luft verlor:
Und hub sie drauf beym Zopfe
Stark aus der Fluth empor.

Das Mittel half geschwinde:
Sie seufzte leichenblaß:
Ach! Männchen, sei gelinde,
Ach! liebes Männchen, laß
Mich diesesmal nur leben,
Und ende meine Pein,
Ich will mich gern bestreben,
Recht lämmerfromm zu seyn.

Der Mann ließ sich bedingen,
Das Weib ward zahm gemacht,
Und an kein Wasserspringen
Ward künftig mehr gedacht.
Sie lebten, sanft wie Tauben,
Von keinem Zank gequält,
Und alle Welt wirds glauben
Weil es ein Weib erzählt.

Anna Louise Karsch (1722-1791)


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RE: Platz für Kunst

#195 von Sirius , 16.08.2018 19:57

Rechenaufgabe für die Unterstufe

Im Museum
sitzt Kolumbus
und köpft stündlich sein Ei.
Berechne,
wie viel Geistesblitze
Kolumbus der Menschheit schenkte
seit 1493
und wie viel davon fallen
auf uns
pro Kopf.

Friedrich-Christian Delius


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