NOMADEN
Zeit für mich,
das Gebirge abzukarren.
Ich hätte das Land gern flach.
Ich dachte:
Plattdeutsche Sätze,
Nomaden,
die an ihren teppichfreien
Tagen kommen, um mich
herumgehen und flüstern
aus dem Koran, plattdeutsch.
Wer kommt, hat sich
in meine Irrtümer verlaufen,
geht ohne Anruf davon.
Günter Eich
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reihe
eis
zweig
dreist
vieh
fülff
ächz
silben
ach
neu
zink
Ernst Jandl
Aus: Sprechblasen
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Meist,
aber dann gern,
bin ich überfordert
von der immensen Schönheit dieser Welt,
das gönne ich dem Bösen in uns!
Eines Abends
liege ich mit meiner Lieblingsvermutung
engumschlungen im Argen
denk an nichts Böses
da tritt sich die Tür ein
mein Surrealismus
hat seine Schlüssel verlegt
ein Hoch auf alles
was staunt und
im Training
tägliche Gipfel erzeugt.
Piet Klocke
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Der feingemachte und obendrein
gereimte Mensch
Neulich beim Friseur
Hatte ich Malheur,
Gerade als der Fasching im Zenit:
Nämlich dieser Mensch
Hat mit einer Brennsch-
ere mir die Lippen stark verbrüht.
Das ertrag ich schwer,
Knutschen is nich mehr,
Weil ein Pflaster auf der Lippe liegt;
Und besagter Mensch
Hat nich mal ne Entsch-
uldigung dabei hinzugefügt.
Alexander Moszkowski
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Stammtisch
gscheidhaaferl neber gscheidhaaferl
neber gscheidhaaferl neber
gscheidhaaferl
grouße politiker
grouße christn
im vollrausch
ziahgt s es zamm
wia r a brennade zeitung
im vollrausch san s
fast ganz normale menschn
Harald Grill, Bairische Gedichte
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GEDANKEN AN DER OSTSEE
Wie wär die Welt so wunderbar,
umspült vom blauen Meere,
wenn diese Welt, wies einstmals war,
ganz ohne Menschen wäre.
Dann gäbs kein Hoffen, kein Verzicht,
kein Hassen und kein Morden,
und wär bestimmt auch dies Gedicht
nicht hingeschrieben worden.
Heinz Erhardt
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Die unerträgliche Seichtigkeit des Reims
Ein Spitzweg hängt am Nagel,
und ein Fernlicht peitscht nach Süden
bienenstichkommunenhafte 20,7
Oberkante Unterschenkel, Abendland im Ersten,
Musterung von Mondscheinmasern
Leberflecke bersten
Haferflocken liegen stumm herum in der Kalesche
Hamsterpranken tapsen dumm in Frotteunterwäsche
Satelliten kreisen leere Runden unumwunden
Wasserballgymnastik junger Schnabeltassenkunden
Asphaltierte Gummifratzen
dort auf dicken Dünen
wieseln hier in
Dreifachdoppelwhopperwindvitrinen
Frischpolierte Schweisperücken
klonen sich zum Züchten
man muss sehr verzweifelt sein
um so etwas zu dichten.
Willy Astor
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Wann hört der Humor auf?
Erst, wenn der Lachs smolliert mit laxen Dachsen,
Wenn Affen gleich den Versifexen klecksen,
Gleich Bellachini die Eidechsen hexen
Und Frösche ob der Steuertaxen quacksen,-
Wenn Straußeneier wild in Sachsen wachsen,
Im Garten wuchern, gleich Gewächsen, Flexen,
Und Philologen gleich perplexen Fexen
Belächeln höhnisch der Syntaxen Faxen,-
Wenn Reiterstiefel zarte Nixen wichsen,
Wenn Englands Söhne sich mit Ochsen boxen
Und Storch' aus einem Krug mit Luchsen glucksen,-
Wenn grüßt der Elefant mit fixen Knixen,
Am Schabbestag die Orthodoxen ochsen ...
Dann wird kein Witz sich mehr mit Juxen mucksen!
Unbekannt
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Stefan Pölt
Promipärchen II
"Die Schriftrollen warn in der Tiefe
der Archäologen-Archive.
Und wenn ich so schaue:
Die hatten 'ne Klaue!"
schimpft Hiero zur Ehefrau Glyphe.
* * *
"Ach wäre ich glücklich und froh
Du würdest im Warmen nicht so
verdammt an mir kleben
dann wäre mein Leben
viel leichter", sprach Hari zu Bo.
* * *
"Wenn ich bloß die Schulden nicht hätte
durch diese bescheuerte Wette!
Jetzt hängt unser Laden
am seidenen Faden."
Sprach Mario zu seiner Nette.
* * *
Die Expedition war ein Fehler.
der Pfad wurde schmäler und schmäler.
"Dein El Salvador
kommt Spanisch mir vor."
Sprach leise die Vene zu Ela.
* * *
"Du schielst mir zu oft nach Dolores.
Drum lehr ich dich erst einmal Mores."
"Das ist doch nur Tratsch
und völliger Quatsch!"
Beruhigt seine Koko der Lores.
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Von der Macht und Ohnmacht
Macht macht Macht
Macht macht hungrig,
was Macht mit einem macht.
Macht die Macht den Mächtigen
mächtig,
oder den Ohnmächtigen ohnmächtig?
Oder ist der Mächtige ohne Macht
und macht den Ohnmächtigen mächtig?
Ein Mächtiger ist nicht ohnmächtig,
wenn er sich mächtig fühlt.
Ein Mächtiger ist ohnmächtig,
wenn er sich mächtig fühlt.
Es macht Sinn, mit der Macht zu spielen.
Ein Wettrennen mit Mächtigen
gibt dem Ohnmächtigen Macht
und Ohnmacht zugleich.
Macht ohne Macht ist Ohnmacht.
Macht ohne Macht ist Macht
ohne Macht.
Das ist es ,was die Macht mit einem macht.
Ohnmächtig.
Alle Macht der Ohnmacht.
Lasst uns die Ohnmacht entkleiden,
um zu obsiegen.
Ohnmacht ist Macht ohne Macht
Ohne Macht ist man mächtig,
denn die Macht ist dann Ohn Macht.
Sie ist Macht.
[Angelika Demel]
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Björn Lindt
Florale Hypochondrie
Schmerzt sie noch ihr Löwenzahn,
der schon seit der Herbstzeit lose?
Sprießt auf ihrem Fuß der Hahn?
Leiden sie an Gürtelrose?
Ist ihr Daumen immer grün?
Blähn sie wie ein Buschwind, Röschen?
Ihnen will oft Unheil blühn?
Sind sie schüchtern wie'n Mimöschen?
Wächst in ihren Lungen Kraut?
Reifen schon die Fingerbeeren?
Ist's ein Veilchen, das da blaut?
Will sich Schuppenflechte mehren?
Finden ihre Augen Trost,
wenn sie lang ins Wasser linsen?
Ist die Leber gar vermoost?
Sprechen sie gern Wahrheitsbinsen?
Haben sie oft Fieberklee,
oder etwa Nesselfieber?
Tun die Frauenschuhe weh?
Treu sind Männer ihnen lieber?
Neigen sie zu Bärenklau?
Sind sie gar ein Lippenblütler?
Schwitzen sie denn Sonnentau,
oder sind sie Sonnenhütler?
Wächst bei ihnen Frauenhaar?
Wolfsmilch strömt aus ihren Zitzen?
Röschen, sie sind höchst agrar,
selbst noch in den Berberitzen!
Hier mein Rat als Spezialist:
Gönnen sie sich mal ein Päuschen!
Helfen kann ein Deflorist.
Klarer Fall von: "Was am Sträußchen"!
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Stefan Pölt
Verfolgungsjagd
Sitze wie auf heißen Kohlen
bei einer Verfolgungsjagd.
Kann hier nirgends überholen -
in der Kurve zu gewagt!
Hupe, brülle, zeig den Stinke-
finger Richtung Vordermann,
doch so heftig ich auch blinke,
er bewegt sich nicht rechts ran.
Linkerhand ein steiler Abhang,
rechterhand die Feuerwehr.
Jetzt nur keinen schnellen Abgang,
das wird ungeheuer schwer!
Hintendran ein Helikopter,
wäre der doch endlich weg,
klebt an mir wie ein Bekloppter
bodennah ganz dicht am Heck.
Endlich sind wir angekommen.
Alles steht, ich steige schnell,
noch ganz schwindlig und benommen,
aus dem Kinderkarussell.
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wie ich dich nenne
wenn ich an dich denke
und du nicht da bist:
meine Walderdbeere
meine Zuckerechse
meine Trosttüte
mein Seidenspinner
mein Sorgenschreck
meine Aurelia
meine Schotterblume
mein Schlummerkind
meine Morgenhand
mein Vielvergesser
mein Fensterkreuz
mein Mondverstecker
mein Silberstab
mein Abendschein
mein Sonnenfaden
mein Rüsselhase
mein Hirschenkopf
meine Hasenpfote
mein Treppenfrosch
mein Lichterkranz
mein Frühlingsdieb
mein Zittergaul
meine Silberschnecke
mein Tintenfasz
mein Besenfuchs
mein Bäumefäller
mein Sturmausreiszer
mein Bärenheger
mein Zähnezeiger
mein Pferdeohr
mein Praterbaum
mein Ringelhorn
meine Affentasche
meine Winterwende
meine Artischocke
meine Mitternacht
mein Rückwärtszähler
(da capo!)
[Friederike Mayröcker]
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Folgen der Trunksucht
von Robert Gernhardt
Seht ihn an, den Texter.
Trinkt er nicht, dann wächst er.
Mißt nur einen halben Meter -
weshalb, das erklär ich später.
Seht ihn an, den Schreiner.
Trinkt er, wird er kleiner.
Schaut, wie flink und frettchenhaft
er an seinem Brettchen schafft.
Seht ihn an, den Hummer.
Trinkt er, wird er dummer.
Hört, wie er durchs Nordmeer keift,
ob ihm wer die Scheren schleift.
Seht sie an, die Meise.
Trinkt sie, baut sie Scheiße.
Da! Grad rauscht ihr drittes Ei
wieder voll am Nest vorbei.
Seht ihn an, den Dichter.
Trinkt er, wird er schlichter.
Ach, schon fällt ihm gar kein Reim
auf das Reimwort "Reim" mehr eim.
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