Judith Keller klopft Redensarten auf ihr Innenleben ab
In ihrem literarischen Debüt versammelt Judith Keller beissend lustige Kürzestgeschichten. Flüchtig, klein und filigran sind auch die Figuren, die darin ihr frohes Unwesen treiben.
Früh in Judith Kellers «Die Fragwürdigen» begegnet man Patrick. Sein Auftritt ist kurz: «Patrick studiert Kunst. Auf einem seiner Bilder steht: Ich liebe meine Eltern. Alle finden das lustig. Aber Patrick meint es ganz ernst.» Na klar, denkt man. «Liebe zu den Eltern» – was für ein Klischee, harmlos und langweilig, ausgestellt fürs Publikum, das natürlich alles durchschaut. Deswegen muss es ein Witz sein, und alle finden ihn lustig. Wirklich alle? Patrick, so erfahren wir, meint es jedenfalls ernst.
Was ist es aber, dieses «ernst»? Wohl kaum das Gegenteil von humorvoll: Als Kunststudent wird er um den Zynismus seines Publikums wissen, und ein humorloser Mensch würde seine ehrlichen Gefühle nicht vor diesem Haufen blossstellen wollen, ihr Lachen würde ihn vielmehr kränken. Und ausserdem finden es alle lustig: wahrscheinlich auch Patrick. Aber Patrick meint es zudem eben auch ernst. Patrick weiss, dass man lachen wird, aber er weiss auch, dass ihm dieses Lachen nichts wegnimmt. Sein Ernst hat also nichts mit Humorlosigkeit zu tun, sondern mit etwas anderem.
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