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RE: Berlin, Brandenburger Tor um Mitternacht

#1 von Karl Ludwig , 24.11.2017 10:20

Punkt 24.00 Uhr, lustwandelte ich am Brandenburger Tor vorbei und blickte zufällig nach oben, zur Quadriga. Viel weiß ich ja nicht über dieses Kunstwerk. Es ist, - glaube ich -, aus Kupfer, und stellt die Siegesgöttin Viktoria dar. Napoleon hatte sie sich einst vorübergehend ausgeliehen. Mehr diesbezügliches Wissen lässt sich nicht in den unteren Kellerregalen meiner Viertelbildung finden.

Aber dass die Dame in aufreizend durchsichtiger Bekleidung nicht an ihrem Platze stand, das konnte ich sofort erkennen. Den Pferden hatte jemand Futtersäcke umgehängt, hm, diese Welt verblüfft leicht Verblüffbare doch immer wieder mit seltsamen Phänomenen. (Ich wechsele mal ins Präsens, das steigert angeblich die Spannung)

Ich bin jedenfalls nicht so leicht zu verblüffen. Schulterzuckend gehe ich weiter. Phänomene! Pah! Es wimmelt im Universum nur so von ihnen, - und auf der Erde erst … ; Leute, ich habe Phänomene gesehen, da ist so ein Verschwinden von irgend einer Großskulptur gar Nix gegen. Vielleicht handelt es sich bloß um eine erneute Entführung? Mir doch egal, wenn dieses erotisch-martialische Symbol des 'Friedens nach dem Sieg' abhanden kommt.

Sieg! Der vermutlich nach jeder Menge herumfliegenden Körperteilen im Vorfeld verlangt, für irgend ein Großes Ziel.

Das sehe ich auch ein.

Auf einmal schält sich ein weiteres Phänomen aus dem Nebel, der unheilschwanger aber pünktlich aufwallt. Ein Schwert versperrt mir den Weg und fragt nach einer Freund-Feind-Kennung, während es blutgierig auf meinen Hals starrt. Es fällt mir nicht schwer, die richtige Antwort zu geben. („Freund!“) Der Nebel zieht sich etwas zurück; am Ende vom Schwert befindet sich eine Hand, am Ende der Hand ein Arm. Der Rest dieser Erscheinung ist mit diesem Arm verbunden und an den Flügeln erkenne ich die Tante problemlos.

„Du“, sage ich, „Was soll das? Und übrigens, warum bist Du nicht an Deinem Platz? Und wo ist das niedliche Oberteil? Diese Rüstung ist doch voll unerotisch.“

„Richtig.“ Die Dame zieht das Schwert zurück und kommt näher: „Meine Zeit ist gekommen.“ Nach diesen schicksalhaften Worten klappt sie die Flügel ein.

„Sieg?“

„Später.“

„Dann bist doch niemals unsere Viktoria. Also, nochmal: Was soll das?“

„Ich bin Bellona, ehedem Enyo.

„So wie Viktoria einst … äh … Nike hieß?

„Kluges Köpfchen.“

„Danke, nun aber zum dritten Mal: Was soll das?“

„Ich bin die Göttin der blutigen Kriegskunst. Duckt euch, ihr Sterblichen! Victoria ist zur Kur und Pferde brauche ich keine, um los zu toben.“

„Gut. Wenn nicht sogar toll. Aber was habe ich damit zu tun? Macht das bitte doch unter Euch aus. Lasst uns Menschen, insbesonders mich, einfach damit in Ruhe. Vielleicht kommen wir ja zur Vernunft, wenn Ihr nicht an unseren Geschicken herumpfuscht.“

„Aber Ihr braucht uns. Als Ausreden, als Zweifel, als Trost, als Elternfiguren, als Symbole, als Projektion, als Kultur, als Hoffnung. Überlege doch mal, wer alles und was für einen Blödsinn aber auch vermutet, nein weiß. Dagegen sind wir doch fast noch human. Du glaubst ja selber an Götter, sonst würdest Du mich wohl gar nicht erst sehen können.“

„Nein. Du bist nur ein Produkt meines gesunkenen THC-Spiegels. Bloß weil du leibhaftig vor mir stehst, muss ich doch nicht an Deine Existenz glauben.“

„Dann lass es halt sein! Und das von jemandem, der einst und noch und nöcher mit Bacchus persönlich schlabberte. Und nun will ich an die Arbeit. Zwietracht säen, gesegnete Waffen verteilen und so. Du weißt ja, wie das ist…“

„Eigentlich kaum. Kannst Du nicht auch einen kleinen Urlaub machen? So mindestens tausend Jahre lang?“

Wie ungerufen springen zwei Figuren herbei, welche sich in Nischen versteckt gehalten hatten. Eine davon (weiblich) schimpft wie ein Scheunendrescher? Rohrspatz? Schilfsperlingweibchen? Scheunendrescherin?: „Tausend Jahre sagt man nicht mehr. Machen wir Tausendundeine von, dann bleibt die political correctness gewahrt.“

Es handeln sich um Minerva und Mars, wobei sich die Identifizierung als ziemlich einfach erweist, da sie Namensschilder am Helm, bzw. Bronzebüstenhalter tragen. Mars sein Job ist wohl jedem bekannt, aber Minerva ist ein seltsam komplementär- dichotomisches Wesen: Einerseits Beschützerin der Dichter, andererseits Göttin der taktischen Kriegsführung. (Das weiß ich allerdings nur dank Wikipedia)

„Halt! LosToben ist keine Strategie. Wenn blinder Aktionismus vorherrscht, kommt selten ein brauchbares Ergebnis bei rum.“

„Das ist auch richtig so! Mir ist nämlich nach absolut unbrauchbarem Ergebnis.“ kichert Bellona gehässig-verschmitzt. (Götter können das. Ihr Humor geht nicht über singende Türklingeln oder Lachsack hinaus und gehässig sind sie aus Prinzip)

„Halt!“, diesmal von meiner Seite. „Man muss doch nicht etwas zerstören, nur um zu beweisen, dass man einen Job außerordentlich gut erledigt hat.“

Alle drei geben sich nachdenklich und beschließen gemeinsam, passende Gesichter für diesen Anlass an zu ziehen und die Angelegenheit in einer Atmosphäre der Toleranz und gegenseitigem Respekt zu besprechen. Mehr kommt wohl wieder mal nicht bei rüber oder rum. (Erinnert Euch das nicht an die Vorgespräche über Absichtserklärungen zu Sondierungsgesprächen zu Vorverhandlungen über unverbindlichen Gedankenaustausch der Bundesparteien in Deutschland, ich glaube, auch in Berlin) Und dann verschluckt der Nebel, wallend, erinnert Ihr Euch?, drei zankende Gestalten und ich höre sie noch eine Weile schwerste Flüche austauschen, bevor sich ihre Stimmen in der Ferne verlieren.

An dieser Stelle wachte ich auf, deswegen kann ich auch nicht erzählen, wie die Geschichte weiter und aus ging. Ihr werdet es ja erleben.

Ehrlich. Wir brauchen zwar keine Götter, aber es ist nett zu wissen, dass sie da sind. Und wenn sie außerdem noch mitverantwortlich sind an diesem Schlamassel hier, na, dann nur um so besser. Geteilte Schuld ist halbe Schuld.

Dieser Text wurde unter den Einflüsterungen von Minerva gestaltet, also ist seine schlichte Klarheit nicht meine Schuld.

Es fehlen in diesem Text (Gott sei Dank): Na, wenn ich aufzählen würde, würde ja nichts fehlen.


Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!

Karl Ludwig  
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RE: Berlin, Brandenburger Tor um Mitternacht

#2 von Sirius , 24.11.2017 21:27

Das ist ja auch originell, dass man sich für reales Versagen die Götter als Schuldige aus seinen Träumen basteln kann.
Berlin hingegen hats gut: Da ist praktisch jeder schuldig und ein Depp, da können ihm selbst die Götter nicht mehr helfen.
Immerhin schilderst du auf humorvolle Weise, wozu die Götter doch gut sind, wenn man verschämt die irdischen Schwachmaten nicht benennen darf, aus Rücksicht auf intelligente Lebewesen außerhalb Berlins.
Viele Zeilen, viel Arbeit und alles Lob stecken deine Götter ein. Das finde ich ungerecht, Karl Ludwig, und deshalb habe ich geträumt, dass du ganz viel Beifall erhältst.

Sirius


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Ho-Ho-Ho. (In einem belustigten Tonfall)
Aber siescher.

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