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RE: Am Vorabend des sechsten Dezembers

#1 von Karl Ludwig , 05.12.2017 06:04

Gerade fühlte sich alles halbwegs entspannt an, als ich brutal aus dem Dämmer gerissen werde. Mit Paukenschlag und Trompetenfanfaren, Harfenklängen, choralen Koloraturen, Triangelgeklimper, Orgelsound, na, halt der ganzen Palette Tusch in nur acht Takten und Dur (Soll fröhlich klingen. Ein weit verbreiteter Irrtum! Besonders wenn Helene Fischer körperverletzend Stihille Nacht trällert). Im direkten Anschluss laute, Spannung steigernde, dramatische Stille. Der Moment hält kurz die Luft an und nach dem Weiteratmen grölt eine grauenvoller Stimme a Capella:

„Apfel, Nuß und Mandelkern
Fressen alle Kinder gern!“

Meine Güte. Schon wieder ein Phänomen. Ich blicke aus dem Fenster. Eine finstere Gestalt stapft durch den Schnee, kommt näher, erdreistet sich an meine Tür zu hämmern. Gut-gut; um diese Jahreszeit sieht sowieso alles etwas finsterer aus als sonst, und als ich die Türe aufreiße um meiner Empörung Ausdruck zu verleihen: „Hast denn die Rute auch bei dir?“, werde ich angebrüllt: „Die Rute, die ist hier; doch für die Kinder nur, die da sind schlecht.“

„Kinder verkloppen ist schon Recht. Doch was willst'e dann bei mir? Und hör' bitte auf zu schrei'n, und komm ganz schnell leise rein. Was hast Du denn an diesem Tag sonst noch alles so im Sack? Apfel, Nuß und Mandelkern, wür'd die Kinder nur verstör'n, da mit ohne Apps und Button.“

„Äps und Batt'n? Wat sein dat denn?“

Ruprecht öffnet mit großer Geste den mitgebrachten Sack, eher eine Tüte voll erschrockener Leere. Auf dem Grund liegen eine Apfelkitsche und etliche Nussschalen.

„Ich kann es gar nicht fassen. Der Weihnachtsmann hat mich entlassen. Ich passe nicht mehr in die Zeit.“

„Oh, das tut mir aber leid.“

„Du machst Dich noch d'rüber lustig?“

„Kaum. Warum bist Du so schmutzig?“

„Von drauß' vom Walde komm ich her!“

„Echt? Sind unsere Wälder doch so sehr ...“

„ ... dreckig? Nein. Auf Tannenspitzen sah ich goldene Lichtlein sitzen ...“

„ … und die ham ganz doll gerußt?“

„Woher hast Du das gewußt?“

„Soll das: 'Es weihnachtet' sein?“

Dann wach ich auf und bin allein. Und droben aus dem Himmelstor, guckt ganz storm der Theodor.


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RE: Am Vorabend des sechsten Dezembers

#2 von Sirius , 05.12.2017 11:22

Toll, Karl Ludwig! Eine feine, lustige Geschichte, und gar nicht mal so abwegig mit dem Knecht Dingsda. Würde mich nicht wundern, wenn ersatzweise demnächst irgendein Depp von Amazon vor der Tür steht und die Bestellung aufnimmt und dir genau sagt, was im Kühlschrank fehlt und anderswo. Der ganze Weihnachtsfirlefanz ist doch eh nur noch eine peinliche Lügen-Symbolik für eine verkommene Gesellschaft, die selbst zur Weihnachtszeit das Bescheißen nicht sein lassen kann.
Die dämliche akustische Berieselung kommt mir so unpassend wie aus einer fremden Welt vor, in der es noch Menschen gab und nicht nur Konsum-Mutanten.
Danke für die feine Satire!

Sirius


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RE: Am Vorabend des sechsten Dezembers

#3 von Karl Ludwig , 05.12.2017 14:04

Wenn der Eingangstext denn so wahr wäre, wie ich lüge, dann würde ich Knecht Ruprecht auf die Knie heben, auf meine Knie meine ich, und würde ihm Einen erzählen. Ungefähr so:

Pass mal auf! Der Weihnachtsmann ist ein anthroposophisch-metamorph-symbolisches Relikt, entstanden aus einem archaischen Schnee Demiurgen und der war in seinen wilden Jahren alles andere als nett, auch nicht als Metapher. Am liebsten lief er Schlittschuh auf erfrorenen Reisenden. Er trug bestimmt keinen roten Mantel mit Wattebesatz sondern ein Lendentuch aus ungegerbten Leder. Und in seinem Bart nisteten Ziegen. Und er stank wie Hulle. Und er brachte keine Geschenke, sondern verlangte welche, damit er wieder verschwindet. Und er belästigte Frau Holle. Und ihre Töchter. Und er gondelte auch in keiner Kutsche aus Pappmaché herum. Und Rentiere hätte er roh verschlungen.

Erst seit Konstantin bemühte er sich um Nettigkeit, wusch sich, zog saubere Unterwäsche an, putzte sich heraus und sogar die Zähne. Nannte sich Nikolaus, fälschte noch einen passenden Lebenslauf, kam aber damit durch. Seinem Leibsklaven schenkte er die Freiheit mit Zeitarbeitsvertrag, und dieser arme Kerl, mein Lieber, der bist Du!

Der Nikolaus ist eine logische und temporale Unmöglichkeit. Also bist Du es auch! Du existierst nicht, sondern bildest Dir das bloß ein. Du kannst mich mit Deiner Anwesenheit nicht täuschen. Du wärst, falls es Dich gäbe, ein traditioneller Unfug der nur noch kommerziellen Zwecken dient.

Der echte Nikolaus, nicht diese Witzfigur da in der Einkaufszone, ist heutzutage meistens immer die Eltern. Und Deine Rolle hat sich genau so erledigt. Komm, steck' die Rute weg oder ich schmeiße sie aus dem Fenster.


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