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RE: Ich bin froh, ein Deutscher zu sein.

#1 von Karl Ludwig , 03.01.2018 07:55

Ja. Ich gebe es zu: Hitler. Endlösung. Autobahn.
Als Volk waren/sind wir idiotisch-teutonisch:
Deutsche Rasse. Deutsches Wesen. Deutscher Wahn.
Übrigens: Ich darf lästern. Ich mein's patriotisch.

Was bin ich froh ein Deutscher zu sein.
Stellt Euch mal vor. Ich wär' Mexikaner,
Afghane, Russe, Sudanese oder ein
Mongole, Türke, gar Koreaner.

Nicht weil wir so tolle Dichter hatten. Nein!
Goethe, Schiller, Busch und Heine.
Oder Maler wie Dürer, Spitzweg, doppelt Holbein,
Und so. Es ist was And'res was ich meine:

Sorgenkinder liebt man sehr,
sind sie doch uns selbst entsprechend!
Sorgeneltern manchmal mehr,
da Betroffenheit betreffend.

Dieses Land ist meine Heimat
Teufel auch! Ich will nicht klagen.
Manchmal habe ich Deutschland satt:
Nur mit Liebe zu ertragen!


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RE: Ich bin froh, ein Deutscher zu sein.

#2 von Sirius , 03.01.2018 19:27

Ich lasse jedem seinen Nationalstolz und seine Realitätsverdrängung. Jemand, der vierzig Jahre gearbeitet hat und sich nicht die Miete in deinem Land leisten kann, der sich Essen von der Tafel erbetteln muss, denkt ganz anders darüber.
Wir zählen einfach unsere Schandtaten auf und damit hat es sich. Jetzt müssen wir uns nur noch den Tag rosa anmalen und alles ganz toll finden mit der Geht-mich-nichts-an-Farbe und schon weinen wir ergiffen bei der Merkelschen Weihnachtsansprache.
Ihr liebt das Land und hasst die Menschen, die sind euch wurscht. Die Alten werden abgeschoben, die Kinder schon im Kindergarten überwacht, die Flüchtlinge zu Erdogan ins KZ, die Panzer in den Jemen, um mal wieder ein Volk auszurotten.
Und jetzt muss man sich nur noch selbst feiern mit dem deutschen Verdrängungs-Gen und aufpassen, dass niemand hinter die braune Fassade schaut.
Das sind eure guten Vorsätze Jahr für Jahr. Dafür müsst ihr Millionen Menschen einfach nur ignorieren – und das bekommt ihr ganz toll bin. Ihr könnt stolz auf euch sein.
Ich schäme mich, ein Deutscher zu sein.

Sorry, dass ich dein Gedicht nicht unbefangen betrachten und mitjubeln kann, aber ich wünsche dir trotzdem ein frohes, neues Jahr.

Sirius


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RE: Ich bin froh, ein Deutscher zu sein.

#3 von Karl Ludwig , 03.01.2018 20:38

Wie? Jetzt darf man nicht mal mehr seine Heimat lieben? Sirius, Du vergisst meine halbe Doppelstaatlichkeit als fast semiassimilierter Türke. Die Türkei würde ich nämlich auch besingen, echt, das Land ist es wert, aber die Leute, ..., fast so schlimm wie hier.

Neues Schimpfwort gelernt: Humanfaschist. Das ist wer, der Menschen nicht für Dinge hält und beharrlich darauf besteht, dass diese Meinung richtiger sei als das Gegenteil, trotz oder gerade wegen aller Gegenbeweise.

Tja. Wer lacht provoziert ja immer den Vorwurf, etwas nicht angemessen ernst zu nehmen. Ich lache über dieses Land und liebe es deswegen. Und weil ich es liebe, kann ich darüber lachen. Es ist so menschlich Panne. So unmenschlich menschlich. Hier laufen immer noch die selben Leute rum, die begeistert in Massenpsychosen fallen und auf der Stelle Hexen, Juden, Schwule, Gottesleugner verbrennen würden, auf jeden Fall aber erst mal alle Dings ..., äh, Ausländer.

Und diese kleine Insel des gedankenlosen Wohlgefühls wird nie wieder so gewesen sein (Auf Kosten der Restwelt, ich weiß). Fast schon ein fast 75'jähriger Frieden. So unverschämt normal ist doch einfach nicht normal.

Soll ich weinen? Oder verbittern? Wäre das nicht die schlimmste Art damit umzugehen? Vielleicht hilft ja statt dessen etwas Liebe. Bei Menschen funktioniert das nämlich manchmal.

Zu Retten sind wir eh nicht mehr!


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RE: Ich bin froh, ein Deutscher zu sein.

#4 von Sirius , 03.01.2018 21:04

Ach, Karl-Ludwig, ich stimme dir ja zu, dass nur Verbissenheit ebenso wenig hilfreich ist, als über alles zu lachen. Und natürlich darf ein jeder seine Heimat lieben! Und natürlich darfst du deine Meinung haben!
Und ist dir aufgefallen, dass die Begriffe „Frieden“ und „Freiheit“, die man noch zu Kohls Zeiten in jedem zweiten Satz hörte, gänzlich verschwunden und ausgetauscht wurden in „Sicherheit“ und „Überwachung“?
Du hast eine sympathische Art mit den Gegebenheiten umzugehen und ich würde dich auch sympathisch finden, wenn du Mongole wärst. Ich weiß auch nicht,warum „Liebe“ nach Abstammungskriterien funktioniert. Möglicherweise gibt es gar Formulare dafür, würde mich nicht wundern.
Und wie soll ich ein Land lieben, das mir nicht vertraut und mich überwachen will anstatt der Terroristen, mit denen man fast gemeinsame Sache macht, um eben diese Überwachung durchzusetzen. Warum will mir dieses Land suggerrieren, Linke sind schlecht, Nazis sind gut? Wo soll ich denn da die Liebe hernehmen?
Es hat halt jeder seine Art, mit den Dingen umzugehen: Du bist froh, ich bin beschämt, da müssen wir mit klarkommen, jeder für sich.

Sirius


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RE: Ich bin froh, ein Deutscher zu sein.

#5 von Karl Ludwig , 04.01.2018 05:12

Ich bin froh, nicht stolz darauf, ein Deutscher zu sein. In einer Ausnahme gelebt zu haben mit Reise- und Meinungsfreiheit, Wohlstand, Frieden innerhalb überschaubarer Grenzen, Gesundheitsindustrie ...

Deutschland. Eine schlechte Angewohnheit, die man nicht mehr los wird? Oder doch eine liebenswerte Dichotomie? Gibt es überhaupt eine Alternative? Oder muss man, wie sonst oft auch, das Beste aus dem machen, was man nicht hat.

Als ich zu den Zeiten vom Schah durch Persien glotterte, meinte ich zu einem Studenten, der die Zustände in seinem Land beklagte: Zieh' doch in eine andere Weltgegend. Die Antwort: Das ist mein Land.

Territorialinstinkt? Heimweh? Lokalpatriotismus?


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RE: Ich bin froh, ein Deutscher zu sein.

#6 von weegee , 04.01.2018 21:48

Eigentlich ist es wie mit Verwandten: Man kann nicht mit, man kann nicht ohne. Bin nun mal hier geboren, dafür kann ich nichts und dafür habe ich nichts getan. Stolz sollte ich nur auf etwas sein, was ich selber geschaffen habe. In Deutschland geboren zu sein, ist keine Gnade, sondern Zufall. Es gibt allerdings die Gnade der späten Geburt und für DIESEN Zufall bin ich höchst dankbar.

Ich mag den Maler Max Beckmann, aber ich würde ihn auch mögen, wenn er Usbeke wär. Ich hasse deutsche Nazis bis aufs Blut, aber ich hasse auch Front National-Wähler. Um Deutsches zu mögen, brauche ich kein Deutschland.

Abschaffung des Nationalstaates, das ist doch, worum es geht, jener obsoleten Idee aus dem 19. Jhd., die soviel Menschenleben gekostet hat. Zur Erinnerung: die Probleme fingen erst richtig an, als die Deutschen 1870/71 ihren lang ersehnten Nationalstaat bekamen.

Also - ich bin Niedersachse und Europäer. Wirtschaftlich, sprachlich und kulturell sind viele Grenzen Europas und der Welt - trotz aller unguten Entwicklungen an den Grenzen Dänemarks, Großbritanniens etc. - schon sehr schön aufgeweicht. Mehr davon! Bis über dem Berliner Reichstag irgendwann NUR noch die Europaflagge weht. Und der Berliner Bär vielleicht. Niemand wird den Deutschen ihre Gartenzwerge wegnehmen. Es kann sogar sein, dass der Nachbar schwarzafrikanischer Herkunft ein besonders exotisches Modell daneben stellt.

LG

Jörn


Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)

 
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