Der alte, weise Mann rückt sein Gesäß in bequemere Position und das Gebiss zurecht. Dann verzieht er sein Gesicht, weil wegen den Hämorrhoiden. (Irgendwann wird der Schreiber dieser Zeilen das Wort für Arschkrebs so schreiben, dass es nicht von der Rechtschreibhilfe korrigiert werden muss. Jawoll-Ja! Ich habe nämlich noch Träume.)

Die Jünger auf der Suche nach dem goldenen Pfad der Erleuchtung scharen sich näher. Sie sind von weit her gepilgert, einige sogar aus dem Ausland, aus Bayern. Deren Kleidung hebt sich schmerzhaft von den safrangelben Gewändern der Übrigen ab, orangene Lederhosen und Butterblumen, bzw. Löwenzahn als Edelweißersatz machen aus einem Bajuwaren noch keinen ernst zu nehmenden Sucher nach dem Herzen des Seins.

„Höret, so wird Euch geredet. Sprechet und es wird Euch gehöret. Also, wer von Euch glaubt an Götter?“

Betretenes Schweigen macht sich breit. Die Jünger haben Erleuchtung gehofft und keine Fangfragen erwartet. Auf diese hier gibt es schließlich keine eindeutige Antwort. Je nachdem, ob man gerade mit einem Hammer einen Finger trifft statt den Nagel und dabei laut die Götter verflucht, oder ob man rational denkt und einer Spastikerselbsthilfegruppe beitritt. Schließlich haben viele dieser Schürfer des Goldes der Wahrheit im Schlamm aller Lügen irgendwelche Bilder von krakenhaften Göttern auf einem Heimaltar und glauben an lustige Namen für das Unbenennbare. Shiva, Atman, Karma, Nirwana und so, sind geläufige Begriffe im Adepten-Milieu.

Der Mutigste gewinnt zur Erleichterung der anderen den ersten Preis in rhetorischen Ausweichmanövern: „Oh Meister, erhelle uns. Wie sollen wir den Verlockungen widerstehen, die im Namen der Wahrheit nichts als Illusionen predigen. Wie unterscheiden wir zwischen Wahr und Falsch?“

Der Weise Mann lächelt milde. „Suppe!“

„Äh. Bitte? Suppe?“

„Ja. Ich will etwas Suppe. He, du da. Besorge heißes Wasser und hier ist eine Asia-Tüten-Instant-Brühe. Ich kann keinen Tee mehr sehen, geschweige denn trinken. Hm. Wo waren wir stehen geblieben? Ach, in Wirklichkeit glaubt ihr vermutlich nicht an Götter, außer wenn ihr sie anruft, weil der Glaube an Hilfe von oben, jeden Menschen um die vielleicht entscheidenden Promille stärker macht.“

Die Jünger nicken hingerissen. Das ist ewige Wahrheit in Pur! Klar doch, deswegen brüllt man ja manchmal gerne: „Wo hat der Gott der Bohrfutterschlüssel denn nun schon wieder dieses Scheißding versteckt?“

„Das ist erst mal der richtige Ansatz, wenn auch falsch.“

„Richtig aber falsch? Bitte erläutere Deine weisen Worte, die zu verstehen wir noch nicht fähig sind. Beschere uns Klarsicht ob diesem Mantra.“

„Ich mantraktiere euch gleich. Aber mit Schmackes. Diesen Widerspruch habe ich vor geraumer Zeit überwunden. In völlig gelassener Klarheit muss ich euch sagen: Ich glaube auch nicht an Götter.“

Erleichterung spiegelt sich in den erwartungsvollen Gesichter. Wie ein kollektives Aufatmen raunt es: DenGötternSeiDank … aus vielen Kehlen.

„Ich WEISS nämlich, dass es sie gibt! Hinter meinem Häuschen treibt sich ein gehörnter Pan herum, stellt den Milchmädchen nach und bläst schaurige Melodien in seine Flöte. Das ist doch nur wenig elysisch, aber als ich seinen Vorgesetzten darauf aufmerksam machen wollte, war Bacchus viel zu breit um ein Protokoll aufzusetzen. Das würde sich auch in absehbarer Zeit kaum ändern, meinten seine Aufpasser, die Putten.“

Tja, an dieser Stelle senkt sich ein gnädige Schleier über die Szene, weil ein unbeschreiblicher Tumult ausbricht. Bin ich froh, denn mit Worten lassen sich die Ereignisse nicht fassen: Alle Götter tanzen in einer Art Polonäse vorbei, leider kann das niemand sehen, eben wegen diesem Schleier. Als der sich wieder hebt liegt nur eine alte Sandale auf dem Weg, den sie genommen hatten. Von dem Meister und seinen Jüngern fehlt seitdem jede Spur.

Sie bechern hoffentlich in Würdengral, Walhalla oder auf dem Olymp vom Feinsten mit den Göttern, an die niemand mehr glaubt, noch nicht einmal die, welche um sie wissen.

Großartig, Karl-Ludwig! Ich habe mich ausgiebig amüsiert an deinen Zeilen! Klasse!

Sirius