Auch im Gedicht lässt sich die Welt und ihre Geschichte vermessen
Dieter M. Gräfs Gedichte entwerfen ein grosses historisches Panorama. Es sind Stenogramme von der gescheiterten Idee des Humanen.
Was kann man der Lyrik nicht alles vorwerfen! Dass sie weltfremd sei, meinen die Poesieverächter. Sie stossen sich daran, dass im lyrischen Sprechen die kleinen Dinge bis zu einer Grösse herausmikroskopiert werden, die sie im Leben nicht haben. Wenn aber das Gegenteil gelingt, wenn es gelingt, das Monströse in den wenigen Zeilen eines Gedichtes schrecklich funkeln zu lassen, dann ist das wie eine grosse Überraschung.
«Falsches Rot», der neue Band des deutschen Lyrikers Dieter M. Gräf, ist so eine Überraschung. Es ist ein Marsch durchs Grosse und Ganze, ein Marsch durch die Geschichte, der eben alles andere als ein Spaziergang ist.
Der Titel «Falsches Rot» ist Programm. Es geht um eine politische Signalfarbe, die über Jahrhunderte aufgepflanzt war auf den Hügeln der Gewalt. Dass die Idee des Humanen sich eben in verschiedene Formen des Menschlichen aufspalten kann, in Gutes und Böses, Liebe und Verbrechen, steht auf jeder Seite eines Buches, dessen irrwitziger Anspruch jedenfalls nicht durch falsches Pathos gefährdet ist.
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https://www.nzz.ch/feuilleton/auch-im-ge...ssen-ld.1390491
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