Als letzter geht der Wind hindurch
Das eigene Schattenreich in schattenloser Abgeklärtheit: Neue Gedichte von Günter Kunert.
Den Gedichtband „Aus meinem Schattenreich“ tragen Halbtöne der Ironie. Aber alles Groteske ist bei Günter Kunert abgewandelte Schrecknis. Das ist seine Art auszudrücken, was er als origineller Melancholiker an der Welt missbilligt. Der Dichter weiß, wie die Dinge stehen. Ein ganzes Leben hat er – bei höchst ansehnlicher Urheberschaft – auf Worte gebaut. Aber die Worte wollen gefunden und neu aufgestellt sein, wie schon immer für jedes neue Gedicht. „Die Schwierigkeit besteht ja darin, dass man nicht eine vorgegebene Form ... lange nutzen kann, sondern etwas Hybrides schafft, das gerade darum schwer am Leben zu erhalten ist ... stets in Gefahr, ... zu erstarren und damit nichtig zu werden“, schreibt der sonst so selbstgewisse Kunert an den Herausgeber Wolfram Benda. Wie heraus aus dem zur Gewohnheit Gewordenen? „Die Wörter / klammern sich an mich, / altgewordene Verwandte, / um Beachtung bittend: / Magst du uns nicht mehr, / wo doch erst wir dir / Leben gaben? / Wir sind eine Familie / unauflösbarer Bindung. / Dabei sind sie ja selber / unzuverlässig und verräterisch / als sei ich tatsächlich / von ihrer Art.“
Gedichte aus den letzten beiden Jahren, nur wenige sind älter. Aber auch für einen fast neunzigjährigen Kunert heißt es weiter, wie einfach, wie tragisch oder grotesk darf man schwierige Sachen betrachten? Es gilt immer wieder, den noch nicht gefassten Augenblick wahrzunehmen, mit Wörtern zu bannen, zu raffen, ihm eine Drehung zu geben. Reduktion und Destruktion, ja Dekonstruktion. Bis auch der Ton, der vorschwebt, seine nachhallende Schwingung hat. Auf den Punkt gebracht in unverhoffter Gestalt. Und mit dem nächsten Gedicht beginnt alles von vorn.
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