Allen Frauen die Stimme genommen
Christina Dalchers Debütroman, „Vox“, ist eine feministische Dystopie. Frauen haben nur 100 Wörter pro Tag. Das klingt sehr nach Margaret Atwood, kommt aber nicht an sie heran.
Der durchschnittlich redefreudige Mensch benutzt 16.000Wörter pro Tag. Schwer vorstellbar also, wie es ist, plötzlich nur 100 Wörter verwenden zu dürfen. So wie die Frauen in Christina Dalchers Debütroman, „Vox“. Im Amerika der nahen Zukunft ist eine ultrachristliche Kraft an der Macht. Sie setzt die Rückkehr zur alten Geschlechterordnung – der Mann das starke Familienoberhaupt, die Frau seine unterwürfige Dienerin – mit harten Mitteln durch. Frauen wird ihre Stimme genommen und damit automatisch die Hör- und Sichtbarkeit, die Würde. Alle Frauen und sogar die Mädchen, müssen ein Folterinstrument um das Handgelenk tragen, einen Armreif, der jedes ihrer gesprochenen Wörter zählt. Sobald das erlaubte Tageslimit überschritten wird, bekommt die Trägerin einen Stromschlag. Wer die Regeln bricht, bekommt Schmerz zu spüren.
Das alles erinnert stark an Margaret Atwoods feministischen Dystopieklassiker „Der Report der Magd“, der 2017 grandios als Serie „The Handmaid's Tale“ adaptiert wurde. Christina Dalcher erzählt fast dieselbe Geschichte, nur mit anderen Facetten. Die „unreinen“ Frauen werden unterdrückt und von der Arbeit ausgeschlossen, die „reinen“ Männer hochgelobt und gestärkt. Männer kontrollieren ihre Frauen, Verhütung ist verboten, homosexuelle Beziehungen auch, Bücher sind verpönt, an den Schulen werden vor allem Religion und Morallehre unterrichtet.
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